Umsatzsteuer Newsletter 03/2015
ZollkodexAnpG ändert UStG zum Jahreswechsel 2014 / 2015
Das „Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (ZollkodexAnpG) vom 30.12.2014 ändert auch das UStG. Neben kleinen, teils redaktionellen Änderungen erhält das BMF die Kompetenz zur Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens durch Rechtsverordnung im Rahmen des sog. Schnellreaktionsmechanismus. Zugleich schränkt das Gesetz das Reverse-Charge-Verfahren für Metalle ein. Der Gesetzgeber korrigiert damit die erst zum 01.10.2014 durch das sog. Kroatiengesetz erfolgte Erweiterung.

1. Schnellreaktionsmechanismus
Mit Wirkung zum 01.01.2015 ist das BMF ermächtigt, das Reverse-Charge-Verfahren mittels Rechtsverordnung zu erweitern. Voraussetzung sind unvermittelt auftretende, schwerwiegende Betrugsfälle, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen finanziellen Verlusten führen. Die Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Umgekehrt kann der Bundesrat eine Rechtsverordnung initiieren (Art. 80 Abs. 3 GG).

Die Rechtsverordnung tritt erst dann in Kraft, wenn die Kommission der Erweiterung des Reverse-Charge-Verfahrens zugestimmt hat. Die Kommission prüft hierfür, ob die behaupteten Betrugsfälle vorliegen, erhebliche Steuerverluste drohen und die Erweiterung als Gegenmaßnahme erforderlich ist.

Zusätzliche Voraussetzung ist, dass die Bundesregierung eine Abweichungserlaubnis durch den Rat gemäß Art. 395 MwStSystRL beantragt. Regelmäßig ist das Reverse-Charge-Verfahren nur für die in der MwStSystRL vorgesehenen Leistungsgegenstände zulässig (vgl. Art. 194 ff.). Das Verfahren darf maximal sechs Monate dauern (Art. 395 Abs. 5 MwStSystRL). Der Rat wird die Erlaubnis nur vorübergehend erteilen. Die vom BMF zu erlassende Rechtsverordnung soll den Zeitraum bis zur Entscheidung durch den Rat überbrücken.

Ob und in welchem Umfang das BMF von der Ermächtigung Gebrauch machen wird, ist noch nicht absehbar. Bisher lag die Kompetenz zur Inanspruchnahme dieser Übergangsregelung bei Bundestag und Bundesrat. Trifft die EU keine Nachfolgeregelung, tritt der Schnellreaktionsmechanismus spätestens am 31.12.2018 wieder außer Kraft. Rechtsverordnungen, für die der Rat bis dahin noch keine Abweichungserlaubnis erteilt hat, verlieren dann ebenfalls ihre Grundlage.

2. Reverse-Charge-Verfahren
a) Entgeltschwelle für Lieferungen von Metallen nach Anlage 4 UStG
Für Lieferungen von Gegenständen nach Anlage 4 (s. unten b) an Unternehmer geht die Steuerschuld nur dann noch auf die Abnehmer über, wenn die Entgeltsumme im Rahmen eines wirtschaftlichen Vorgangs mindestens EUR 5.000 beträgt (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG). Die Regelung soll Händler entlasten, die an Unternehmer und Nichtunternehmer liefern (Baustoff- und Eisenwarenhandel). Diese Händler hatten Schwierigkeiten, die Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers zu bestimmen. Daneben konnten die eingesetzten Kassensysteme den Steuerschuldübergang vielfach nicht darstellen.

b) Einschränkung des Reverse-Charge-Verfahrens
Zeitgleich mit der Einführung einer Entgeltschwelle sind zahlreiche Zolltarifpositionen in Anlage 4 zu § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG entfallen. Gestrichen wurden Selen sowie Drähte, Bänder, Folien, Bleche, Profile und Stangen aus den verschiedenen Metallen. Gold wurde ebenfalls gestrichen, unterliegt aber nach § 13b Abs. 2 Nr. 9 UStG dem Reverse-Charge-Verfahren.

c) Wiederverkäufer von Erdgaslieferungen
Für die Lieferung von Erdgas geht die Steuerschuld nur dann auf den Leistungsempfänger über, wenn dieser Wiederverkäufer von Erdgas gemäß § 3g UStG ist (§ 13b Abs. 5 Satz 3 UStG n. F.). Die Änderung entspricht den Vorgaben von Art. 199a Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL. Die Finanzverwaltung hatte schon den bisherigen Wortlaut „Unternehmer …, der Lieferungen von Erdgas erbringt“, entsprechend einschränkend ausgelegt (vgl.Abschn. 13b.3a Abs. 2 Satz 2 UStAE).

d) Auswirkungen für die Praxis
Bei Lieferungen von Gegenständen der Anlage 4 zum UStG unterhalb der Entgeltschwelle verbleibt die Steuerschuld wieder beim Lieferanten. In diesen Fällen ist die Unterscheidung des Abnehmers in Unternehmer und Nichtunternehmer für Zwecke der Steuerschuld entbehrlich. Stattdessen müssen die Unternehmer bestimmen, ob eine Lieferung Teil „eines wirtschaftlichen Vorgangs“ (z. B. Rahmenverträ-ge) ist. Diese Unterscheidung zu treffen und sie in der automatischen Steuerfindung eines ERP-Systems umzusetzen, ist vielfach schwierig.

Das BMF hat mit Schreiben vom 22.01.2015 die bestehende Nichtbeanstandungsregelung für die Umsetzung des Kroatiengesetzes bezüglich der neuen Rechtslage erweitert (vgl. BMF, Schr. v. 26.09.2014 und 05.12.2014 sowie KMLZ-Newsletter 22/2014 und 29/2014). Für bis zum 30.06.2015 ausgeführte Lieferungen von Gegenständen nach Anlage 4 a. F. darf einvernehmlich der Leistende als Steuerschuldner behandelt werden. Umgekehrt darf für bis zum 30.06.2015 ausgeführte Lieferungen von nicht mehr in Anlage 4 n. F. enthaltenen Gegenständen der Leistungsempfänger als Steuerschuldner behandelt werden. Gleiches gilt für die in Anlage 4 verbliebenen Gegenstände, wenn die Entgeltschwelle nicht überschritten wird.
 
Unternehmer, die die Erweiterung des Reverse-Charge-Systems nach dem Kroatiengesetz bereits umgesetzt hatten, müssen nun erneut Anpassungen vornehmen. Soweit möglich sollten die Änderungen in einer Weise erfolgen, die den Aufwand für künftige Erweiterungen und Einschränkungen des Reverse-Charge-Verfahrens minimiert. Mittelfristig sind erneute Änderungen zu erwarten. Die unionsrechtliche Grundlage des Reverse-Charge-Verfahrens ist für eine Vielzahl von Leistungsgegenständen nur bis zum 31.12.2018 gültig. Trifft die EU keine Nachfolgeregelung, tritt Art. 199a MwStSystRL automatisch außer Kraft. Dies betrifft nicht nur Metalle nach § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG, sondern z. B. auch Mobilfunkgeräte, Spielkonsolen, Tablets und Treibhausgasemissionszertifikate.

3. Weitere Änderungen des UStG
a) Bank- und Finanzumsätze (B2C)
Die Bestimmung des Leistungsortes für Bank- und Finanzleistungen an im Drittland ansässige Nichtunternehmer (§ 3a Abs. 5 Nr. 6 Buchst. a UStG) ist künftig nicht mehr auf Leistungen im Sinne von § 4 Nr. 8 Buchst. a bis h UStG beschränkt. Nunmehr fallen auch nicht steuerfreie Bank- und Finanzumsätze unter die Ortsbestimmung. Die Änderung beruht auf dem Urteil des EuGH in der Rs. C-44/11 – Deutsche Bank. Die Finanzverwaltung hatte dem Urteil bereits Rechnung getragen (Abschn. 3a.10 Abs. 17 Sätze 2 und 3 UStAE).

b) Nichtärztliche Dialyseleistungen durch Einrichtungen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung
Nichtärztliche Dialyseleistungen waren bisher steuerfrei, wenn sie im Rahmen vertragsärztlicher Versorgung erfolgten (§ 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. bb UStG, vgl. auch § 95 Abs. 1a Satz 1 SGB V). Gemäß Doppelbuchst. hh n. F. gilt die Steuerbefreiung nunmehr auch außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung. Voraussetzung ist, dass der Unternehmer mit der Krankenkasse, ihrem Landesverband oder einer ihrer Arbeitsgemeinschaften einen Vertrag gemäß § 126 Abs. 3 i.V.m. § 127 SGB V geschlossen hat.

c) Bescheinigung über die Erfüllung kultureller Aufgaben – Festsetzungsverjährung
Leistungen einer gleichartigen Einrichtung i.S.v. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG sind steuerfrei, wenn die zuständige Landesbehörde der Einrichtung bestätigt, dass sie gleiche Aufgaben wie öffentlich-rechtliche Theater usw. erfüllt. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 4 UStG a. F. unterwarf die Erteilung durch Verweis auf § 181 AO mittelbar den Regelungen der Festsetzungsverjährung. Zweck der Regelung war, bei rückwirkend erteilten Bescheinigungen Steuererstattungen für weit zurückliegende Besteuerungszeiträume zu vermei-den. § 171 Abs. 10 Satz 2 AO n. F. verallgemeinert diese Bestimmung auf Grundlagenbescheide, die bisher nicht durch § 181 AO der Feststellungsverjährung unterlagen. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 4 UStG a. F. war damit entbehrlich.

Solche Grundlagenbescheide entfalten künftig nur noch dann Bindungswirkung für Folgebescheide – wie hier den Umsatzsteuerbescheid –, wenn der Unternehmer sie vor Eintritt der Festsetzungsverjährung beantragt hat.

d) Vorratsgesellschaften und Firmenmäntel – Verpflichtung zur Abgabe monatlicher Voranmeldungen
Vorratsgesellschaften müssen künftig mit Aufnahme der unternehmerischen Tätigkeit monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben. Für übernommene Firmenmäntel gilt dies zur Vermeidung von Steuerbetrug bereits ab dem Zeitpunkt der Übernahme (§ 18 Abs. 2 Satz 5 UStG n. F.). Eine quartalsweise oder kalenderjährliche Erklärung scheidet auch bei Unterschreiten der Steuergrenzen für die ersten beiden Kalenderjahre aus.

Ansprechpartner:

Dr. Christian Salder
Rechtsanwalt, Steuerberater
Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 85
christian.salder@kmlz.de

Stand: 30.01.2015