Umsatzsteuer Newsletter 13/2015
Selbstanzeige: Kompensationsverbot und Strafzuschlag
Schon ab einem Hinterziehungsbetrag von EUR 25.000 ist die Wirksamkeit einer Selbstanzeige von der Zahlung eines Zuschlags abhängig. Zum 01.01.2015 hat der Gesetzgeber den zu zahlenden Betrag nochmals erhöht. Der Zuschlag ist nach Ansicht der Finanzverwaltung von jedem einzelnen Tatbeteiligten in voller Höhe zu begleichen, ein persönlicher Vorteil spielt keine Rolle. Bei der Bemessung des Zuschlags werden zudem Umsatzsteuer und Vorsteuer nicht saldiert. Daher ist auch dann, wenn sich umsatzsteuerrechtlich keine Zahllast ergibt, gegebenenfalls eine empfindliche Strafzahlung zu leisten.

1. Selbstanzeige nur bei Zahlung eines Zuschlags wirksam
Bereits 2011 hat der Gesetzgeber im Rahmen des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes § 398a AO eingefügt. Seitdem ist die Wirksamkeit einer Selbstanzeige davon abhängig, dass der Steuerpflichtige zusätzlich zu hinterzogener Steuer und Zinsen einen Zuschlag an den Fiskus abführt. Dieser Zuschlag hängt von der Höhe des Hinterziehungsbetrags ab. Bis EUR 100.000 sind 10 %, zwischen EUR 100.000 und EUR 1.000.000 sind 15 % und über EUR 1.000.000 sind 20 % der hinterzogenen Steuer zusätz-lich zu bezahlen. Der Zuschlag ist nach Auffassung der Finanzverwaltung von jedem einzelnen Tatbeteiligten in voller Höhe zu entrichten, auf einen persönlichen Vorteil kommt es nicht an.

2. Kompensationsverbot im Rahmen von § 398a AO
Der Gesetzgeber hat zum 01.01.2015 ausdrücklich geregelt, dass das Kompensationsverbot im Rahmen der Bemessung des Zuschlags nach § 398a AO Anwendung findet. Das Kompensationsverbot (auch Vorteilsausgleichs- oder Saldierungsverbot genannt) ist in § 370 Abs. 4 Satz 3 AO geregelt. Es hat im Bereich des Umsatzsteuerstrafrechts zur Folge, dass die Positionen Umsatzsteuer und Vorsteuer grundsätzlich unabhängig voneinander zu betrachten sind. Steuerstrafrechtlich ist eine Saldierung von Umsatzsteuer und hiermit im Zusammenhang stehender Vorsteuer nicht möglich. Insoweit unterscheidet sich das straf- vom steuerrechtlichen Verfahren, wo im Rahmen von Umsatzsteuerdeklarationen grundsätzlich eine „Verrechnung“ von Umsatzsteuer und Vorsteuer erfolgt.

3. Auswirkungen des Kompensationsverbots
Die Anwendung des Kompensationsverbots bei der Ermittlung des Zuschlags nach § 398a AO kann enorme wirtschaftliche Auswirkungen für Unternehmer haben, die unrichtige Steuererklärungen im Wege einer Selbstanzeige korrigieren.
Angenommen, ein Unternehmer hat, z. B. aufgrund nicht verbuchter „Schwarzgeschäfte“, innerhalb eines Kalenderjahres inländische Eingangs- und Ausgangsumsätze aus nationalen Lieferungen jeweils in Höhe von EUR 2 Mio. nicht erklärt. Berichtigt er diese Umsätze später im Wege einer Selbstanzeige, hat dieser Vorgang rein umsatzsteuerrechtlich zunächst keine Auswirkungen. Umsatzsteuer und Vorsteuer werden in gleicher Höhe nacherklärt und saldiert. Es entsteht im Ergebnis keine Zahllast. Strafrechtlich gilt in diesem Fall allerdings das Kompensationsverbot. Die zu wenig deklarierte Umsatzsteuer (19 % von EUR 2 Mio. = EUR 380.000) und der in gleicher Höhe unterlassene Vorsteuerabzug werden nicht saldiert. Der Unternehmer hat Steuern in Höhe von EUR 380.000 hinterzogen.

4. Zuschlag bei Selbstanzeige
Aufgrund einer Selbstanzeige – die die übrigen Wirksamkeitserfordernisse des § 371 AO erfüllt – können die Straf-verfolgungsbehörden im Beispielsfall von der Verfolgung der Steuerhinterziehung absehen, wenn der Unternehmer den entsprechenden Strafzuschlag zahlt. Vorliegend müsste der Unternehmer 15 % der hinterzogenen Steuer, also EUR 57.000 als Zuschlag an das Finanzamt abführen. Der Zuschlag fällt bei der Korrektur von Umsatzsteuer-Jahreserklärungen, aber nicht mehr bei der Korrektur von Umsatzsteuer-Voranmeldungen an.

5. Unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang
Nach der Einzelfallrechtsprechung des BGH greift das Kompensationsverbot in den Fällen nicht ein, in welchen es um steuermindernde Gründe geht, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem durch die unrichtigen Angaben herbeigeführten Verkürzungserfolg stehen. Die Rechtsprechung führt insbesondere deshalb zu Rechtsunsicherheiten, weil der BGH eine Ausnahme vom Kompensationsverbot im Verhältnis Umsatzsteuer zu Vorsteuer bislang ablehnt. In der Unternehmenspraxis stellt sich häufig die Frage, wann ein solcher unmittelbarer wirt-schaftlicher Zusammenhang anzunehmen ist.

6. Kompensationsverbot bei innergemeinschaftlichen Erwerben und Reverse-Charge-Umsätzen
Der BFH hat kürzlich entschieden, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der bei innergemeinschaftlichen Erwerben zu deklarierenden Umsatzsteuer und dem damit korrespondierenden Vorsteuerabzugsrecht besteht. Das Kompensationsverbot gilt demnach nicht. Der BGH hat eine solche Ausnahme bislang ausdrücklich noch nicht angenommen. Hieraus resultiert eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit. Folgt man der Auffassung des BFH, liegt aufgrund der Saldierung von Umsatzsteuer und Vorsteuer schon gar keine Steuerverkürzung vor. Der Unternehmer müsste nicht berichtigen und der Strafzuschlag wäre obsolet. Wendet man hingegen das Kompensationsverbot auch auf innergemeinschaftliche Erwerbe an, müsste der Unternehmer im obigen Beispiel – hier: Selbstanzeige bislang nicht erklärter innergemeinschaftlicher Erwerbe in Höhe von EUR 2 Mio. – einen Zuschlag von EUR 57.000 an das Finanzamt abführen, um Straffreiheit zu erlangen. Neben innergemeinschaftlichen Erwerben stellt sich die Frage der Anwendung des Kompensationsverbotes auch bei Reverse-Charge-Umsätzen im Sinne von § 13b UStG. Auch hier ist die Rechtslage nicht eindeutig.

7. Praxishinweis
Es sprechen gute Gründe dafür, aufgrund des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs bei  innergemeinschaftlichen Erwerben und Reverse-Charge-Umsätzen im Sinne von § 13b UStG eine Ausnahme vom Kompensationsverbot anzunehmen. Eine endgültige Klärung durch die Rechtsprechung steht jedoch noch aus. Das ist im Rahmen der Erstellung entsprechender Selbstanzeigen im Blick zu behalten. Ebenso sollte im Zweifel aufgrund der nicht eindeutigen Rechtslage stets eine Offenlegung nach § 153 AO erfolgen.

Ansprechpartner:

Dr. Daniel Kaiser
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 62
daniel.kaiser@kmlz.de

Stand: 16.04.2015