Umsatzsteuer Newsletter 07/2014
EuGH-Vorlage zur umsatzsteuerlichen Organschaft
Der BFH hält die deutsche Regelung, wonach nur Kapitalgesellschaften Organgesellschaften sein können, für unionsrechtswidrig. Außerdem bezweifelt er, dass ein Über-/Unterordnungsverhältnisses zwischen Organträger und Organgesellschaft erforderlich ist. Der EuGH muss nun entscheiden, ob Personengesellschaften in umsatzsteuerliche Organschaften einzubeziehen sind und ob Organschaften auch zwischen Schwestergesellschaften ohne einen gemeinsamen übergeordneten Organträger möglich sind. Unternehmen sollten schon jetzt Maßnahmen ergreifen, um ggf. von der Änderung profitieren zu können oder drohende negative Konsequenzen abwenden zu können.

Mit seinen beiden inhaltsgleichen Beschlüssen vom 11.12.2013 (Az. BFH XI R 17/11 und XI R 38/12) hat der BFH dem EuGH neben seiner Frage zum Vorsteuerabzug (hierzu Newsletter 06/2014) Fragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft vorgelegt (Az. EuGH C-108/14 und C-109/14).

1. Ausgangslage

Die Kläger hatten Kapital eingeworben, um damit ihre Beteiligungen an mehreren GmbH & Co. KGs zu finanzieren, die jeweils ein Schiff betrieben. Wegen der Einzelheiten der Sachverhalte verweisen wir auf unseren Newsletter 06/2014.

Die Kläger vertraten den Standpunkt, der Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zur Kapitalbeschaffung sei in vollem Umfang gegeben, da mit den Tochtergesellschaften eine umsatzsteuerliche Organschaft bestehe.

2. Die Entscheidung des BFH

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen den Klägern und ihren Tochtergesellschaften waren vorliegend nicht erfüllt. Denn nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG können nur juristische Personen Organgesellschaften einer umsatzsteuerlichen Organschaft sein, aber nicht Personengesellschaften.

Der BFH stellt sich zunächst auf den Standpunkt, dass der Ausschluss von Personengesellschaften durch § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG unionsrechtswidrig sei. Denn nach Art. 11 MwStSystRL könnten die Mitgliedstaaten mehrere „Personen“ als einen Steuerpflichtigen behandeln. Eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 2 UStG, wonach Personengesellschaften Organgesellschaften sein können, hält der BFH, anders als das FG München (vgl. Urt. v. 13.03.2013 – 3 K 235/10, hierzu Newsletter 21/2013), für nicht möglich.

Weiterhin stellt der BFH in Frage, ob ein Verhältnis der Über-/ Unterordnung zwischen Organträger und Organgesellschaft nach Unionsrecht erforderlich ist. Der BFH hatte den Ausschluss von Organschaften zwischen Schwestergesellschaften damit begründet, dass zwischen Schwestergesellschaften gerade kein Verhältnis der Über-/Unterordnung bestehe (vgl. Urt. v. 22.04.2010 – V R 9/09; hierzu Newsletter 10/2010). Nach Art. 11 MwStSystRL reicht es dagegen für eine Organschaft aus, dass mehrere Personen durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind. Der BFH bezweifelt die Unionsrechtskonformität vor allem auch deshalb, weil es nach neueren Entscheidungen des EuGH (u. a. Urt. v. 25.04.2013 – C-480/10) den Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht gestattet ist, über Art. 11 MwStSystRL hinausgehende Anforderungen aufzustellen.

Für den Fall, dass der EuGH die Unionsrechtswidrigkeit bejaht, stellt der BFH die Frage, ob sich die Steuerpflichtigen dann direkt auf Art. 11 MwStSystRL berufen können.

3. Fazit / Handlungsempfehlungen

Sofern der EuGH die Unionsrechtswidrigkeit des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG bejaht, wird entscheidend sein, ob er den Steuerpflichtigen gestattet, sich unmittelbar auf Unionsrecht zu berufen. Sofern dies der Fall ist, hätten Steuerpflichtige ein Wahlrecht, Personengesellschaften in umsatzsteuerliche Organschaften einzubeziehen. Dagegen könnte sich die Finanzverwaltung nicht unmittelbar auf Unionsrecht berufen; sie wäre an die Regelung des § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG gebunden, bis diese geändert worden ist.

Sofern der EuGH auch das nach der Rechtsprechung erforderliche Verhältnis der Über-/Unterordnung als unionsrechtswidrig beurteilt, wäre für die Einbeziehung von Schwestergesellschaften keine gesetzliche Änderung nötig. Vielmehr wären lediglich die Merkmale der finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung anders als bislang auszulegen. Daher könnten in diesem Fall sowohl die Steuerpflichtigen als auch die Finanzverwaltung beispielsweise eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften ohne einen gemeinsamen übergeordneten Organträger annehmen. Angesichts der massiven Auswirkungen einer derartigen Entscheidung ist zu hoffen, dass die Finanzverwaltung in diesem Fall eine Übergangsregelung schafft.

Potentiell betroffene Unternehmen sollten sich schon jetzt mit den möglichen Auswirkungen der Entscheidung des EuGH auseinandersetzen. Sofern die Einbeziehung von Personengesellschaften und Schwestergesellschaften gewünscht ist, können Maßnahmen ergriffen werden, um die Voraussetzungen einer Organschaft zu erfüllen, also die wirtschaftliche, organisatorische und finanzielle Eingliederung herzustellen. Ansonsten können Maßnahmen ergriffen werden, um die künftige Einbeziehung von Personengesellschaften und Schwestergesellschaften in Organschaften zu verhindern.

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Stand: 03.04.2014