Umsatzsteuer Newsletter 49/2023
Nullsteuersatz bei Lieferung von Photovoltaikanlagen: BMF veröffentlicht weiteres Schreiben
Mit Wirkung zum 01.01.2023 wurde durch das JStG 2022 in § 12 Abs. 3 UStG ein Umsatzsteuersatz von 0 % (Nullsteuersatz) eingeführt. Mit dem Ende Februar 2023 veröffentlichten Schreiben hat das BMF bereits viele Fragen geklärt. Jetzt veröffentlicht das BMF ein weiteres Schreiben zum Thema. Sind jetzt alle Fragen geklärt?
1 Nullsteuersatz bei Lieferung von Photovoltaikanlagen
Mit Wirkung zum 01.01.2023 wurde in § 12 Abs. 3 UStG für die Lieferung, die Einfuhr, den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Installation von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) sowie deren wesentliche Komponenten ein Umsatzsteuersatz von 0 % (Nullsteuersatz) eingeführt (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 39 | 2022). Das Hauptziel des Gesetzgebers lag dabei in der Entbürokratisierung zugunsten der „privaten“ PV-Anlagenbetreiber. Aufgrund der kurzfristigen Umsetzung der Norm und der Vielfältigkeit an Geschäftsmodellen in der Branche ergaben sich jedoch bei den meisten Unternehmern Praxisprobleme infolge ungeklärter Auslegungsspielräume der Neuregelung. Mit Schreiben vom 27.02.2023 hat das BMF hierzu Stellung genommen und einige Vereinfachungsregelungen eingeführt (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 14 | 2023). Jetzt rüstet das BMF mit einem weiteren Schreiben (BMF-Schreiben v. 30.11.2023) nach.
 
2 Erläuterungen im aktuellen BMF-Schreiben
Das aktuelle BMF-Schreiben ist vor allem technischer Natur und soll das zuvor veröffentlichte BMF-Schreiben präzisieren:
  • Lieferung als Sachgesamtheit: Die Lieferung einer PV-Anlage mit Stromspeicher stellt eine einheitliche Leistung dar, und zwar die Lieferung einer Sachgesamtheit. 
  • Begünstigte PV-Anlagen: Bei Solar-Carports und Solar-Terrassenüberdachungen handelt es sich um eigenständige begünstigte PV-Anlagen. Die notwendigen Halterungen sind als wesentliche Gegenstände ebenfalls mit dem Nullsteuersatz zu besteuern. Nicht begünstigt dagegen ist die primäre Unterkonstruktion der Anlagen.
  • Begünstigte Stromspeicher: Bei Stromspeichern mit einer nutzbaren Kapazität von mindestens 5 kWh ist aus Vereinfachungsgründen davon auszugehen, dass sie begünstigt eingesetzt werden. Ferner wird klargestellt, dass Energiespeichersysteme, die den produzierten Strom in Wasserstoff speichern, begünstigt sind. Vorausgesetzt wird, dass der Wasserstoff ausschließlich zur Energierückumwandlung in elektrischen Strom zum Verbrauch verwendet werden kann. Das zwangsläufige Entstehen von nutzbarer Wärme ist an dieser Stelle unerheblich.
  • Sonstige begünstigte Leistungen: Die Erweiterung des Zählerschranks ist begünstigt, sofern sie durch die Anschaffung der Anlage bedingt ist. Dies gilt auch, wenn sie als eigenständige Leistung erbracht wird. 
  • Nicht begünstigte Gegenstände und Leistungen: Stromverbraucher, die mit der PV-Anlage betrieben werden (u. a. Heizgeräte oder Wärmepumpen), bleiben außen vor. Auch jegliche Dach- und Bodenleistungen im Zusammenhang mit der Anschaffung der PV-Anlage sind nicht begünstigt, sofern sie als eigenständige Leistung erbracht werden. 
3 Spezialfall „Altanlagen“
Viele PV-Anlagenbetreiber haben für PV-Anlagen, die vor dem 31.12.2022 betriebsfertig abgenommen wurden, auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet, um über den Vorsteuerabzug entlastet zu werden. Der selbstgenutzte Strom ist dann jedoch zum Regelsteuersatz zu besteuern und belastet den Betreiber. Um diesen Nachteil auszugleichen, erlaubt das BMF eine Entnahme der PV-Anlage zum Nullsteuersatz, wenn sie zu mehr als 90 % privat genutzt wird. Davon ist u. a. dann auszugehen, wenn ein Stromspeicher vorhanden ist. Die Entnahme kann nach dem aktuellen BMF-Schreiben noch bis zum 11.01.2024 rückwirkend zum 01.01.2023 aus dem Unternehmen erfolgen. Hierfür muss der Unternehmer gegenüber dem zuständigen Finanzamt eine Erklärung abgeben. Die Lieferung des Stroms bleibt jedoch weiterhin steuerpflichtig, bis die Sperrwirkung der Option zur Regelbesteuerung (insgesamt fünf Jahre) abläuft. 
 
4 Folgen für die Praxis
Das „Ergänzungs“-BMF-Schreiben ist zu begrüßen. Es schafft Klarheit in bisher offengebliebenen Fragen. Die ausnahmsweise rückwirkend zulässige Entnahme der PV-Anlage ermöglicht es den Betreibern, bei fristgerechter Entnahmeerklärung die Wertabgabenbesteuerung bereits ab 01.01.2023 zu vermeiden. Die Rechtsfindung, wie ein Gegenstand, welcher zu mehr als 90 % privat genutzt wird, überhaupt in das Unternehmen hätte eingebracht werden können, wird an dieser Stelle der Praxis zuliebe nicht hinterfragt. 
 
Das BMF-Schreiben präzisiert den Leistungszeitpunkt der Lieferung einer PV-Anlage inkl. Stromspeicher. Die verschieden-en Zubehörteile können, entgegen vereinzelten Meinungen, umsatzsteuerlich nicht getrennt beurteilt werden, sofern sie vom Kunden gemeinsam bestellt wurden. Die Leistung gilt erst dann als ausgeführt, wenn alle Gegenstände räumlich zusammenkommen und betriebsfertig zusammengefügt sind. Handwerker, die eine PV-Anlage im Jahr 2022 in Betrieb genommen haben, bei welcher der Stromspeicher erst im Jahr 2023 nachgeliefert wurde, haben insgesamt den Nullsteuersatz anzuwenden. Bereits in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wäre grundsätzlich dem Kunden zu erstatten. Die Frage, ob das E-Auto als Stromverbraucher oder doch als Stromspeicher im Sinne dieser Regelung betrachtet und zukünftig zusammen mit der PV-Anlage zum Nullsteuersatz bestellt werden kann, kann man sich zumindest schmunzelnd stellen. Bei der Berechnung der 90%-Grenze bei Altanlagen dürfte das E-Auto wohl als Stromspeicher berücksichtigt werden. 
 
Die Vereinfachungsregelung bei Stromspeichern ist ebenfalls zu begrüßen. Vor allem die Klarstellung, dass bestimmte Wasserstoffstromspeicher vom Nullsteuersatz profitieren, schafft Rechtssicherheit. Die Regelung hätte jedoch großzügiger ausfallen können. Am Markt werden Stromspeicher mit deutlich geringerer Leistung zum Nullsteuersatz angeboten, auch wenn technisch offensichtlich ist, dass die Speicher nicht stationär aufgestellt werden und somit nicht begünstigt sind. So werden die ehrlichen Unternehmer, die die Ware zum Regelsteuersatz liefern, bestraft. Sie erleiden einen Wettbewerbsnachteil in Höhe von 19 %. Ferner hätte man auch andere Gegenstände, die anlagenspezifisch zwingend notwendig sind, u. a. DC-PV-Heizgeräte, als „wesentlich“ einstufen können, zumindest wenn ohne diese Gegenstände die bestimmte PV-Anlage keinen Solarstrom produzieren kann.   
 
Ansprechpartner:
 

Dr. Atanas Mateev
Dipl.-Wirtschaftsjurist (Univ.), Steuerberater
Tel.: +49 89 217501253
atanas.mateev@kmlz.de

Stand: 07.12.2023