Umsatzsteuer Newsletter 43/2023
BMF-Schreiben zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei der Übertragung von Emissionszertifikaten
Die Übertragung von Emissionszertifikaten nach § 3 Nr. 2 BEHG (Brennstoffemissionshandelsgesetz) unterliegt der Umsatzsteuer. Seit 01.01.2023 schuldet der Leistungsempfänger hierfür die Umsatzsteuer, wenn er ein Unternehmer ist. Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG entsprechend erweitert. Nun hat das BMF mit Schreiben vom 05.09.2023 auch Anwendungsregelungen zur Behandlung dieser Umsätze veröffentlicht.
1 Hintergrund
Mit dem Achten Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 24.10.2022 (BGBl. 2022 I, 1838) erweiterte der Gesetzgeber mit Wirkung ab 01.01.2023 den Anwendungsbereich des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG. Seitdem ist das sog. Reverse-Charge-Verfahren auch auf die Übertragung von Emissionszertifikaten nach § 3 Nr. 2 BEHG (Brennstoffemissionshandelsgesetz) anwendbar. Für diese Umsätze schuldet der unternehmerische Leistungsempfänger die Umsatzsteuer. Das BMF hat mit Schreiben vom 05.09.2023 Anwendungsregelungen zur Behandlung dieser Umsätze veröffentlicht. Die Regelungen gelten für nach dem 31.12.2022 ausgeführte Umsätze.
 
2 Übertragung von Emissionszertifikaten gemäß § 3 Nr. 2 BEHG
Das BEHG soll die Grundlagen für den Handel mit Zertifikaten für Emissionen aus Brennstoffen schaffen und für eine Bepreisung dieser Emissionen sorgen, soweit sie nicht vom EU-Emissionshandel erfasst sind. Ein Emissionszertifikat im Sinne des § 3 Nr. 2 BEHG ist ein Zertifikat, das zur Emission einer Tonne Treibhausgase in Tonnen Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum berechtigt. Sofern und soweit Unternehmer mehr als eine bestimmte Grenzmenge an Emissionen in Verkehr bringen, verpflichtet das BEHG sie zum Erwerb und zur Abgabe von Emissionszertifikaten. Ab 2027 soll der Erwerb solcher Zertifikate der freien Preisbildung am Markt unterliegen. Das Gesetz erweitert die Bepreisung von CO2 auf die – nicht vom EU-Emissionshandel umfassten – Bereiche Verkehr und Wärme. Die Verpflichtungen aus dem BEHG bestehen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Entstehung der Energiesteuer für die betroffenen Brennstoffe. Der Erwerb der Emissionszertifikate erfolgt durch Übertragung des veräußernden Unternehmers auf den Erwerber. Die Übertragung erfordert eine Einigung und Eintragung auf dem Konto des Erwerbers im nationalen Emissionshandelsregister gemäß § 9 Abs. 2 BEHG.
3 Schlussrechnung über nach 01.01.2023 erbrachte Leistungen bei Anzahlungen vor 01.01.2023
Wurden für Leistungen aus der Übertragung von Emissionszertifikaten ab dem 01.01.2023 Anzahlungen vor dem 01.01.2023 geleistet, muss der leistende Unternehmer seine Anzahlungsrechnung mit Umsatzsteuerausweis grundsätzlich in dem Voranmeldungszeitraum, in dem die Leistung tatsächlich ausgeführt wird, berichtigen (§ 27 Abs. 1 Satz 3 UStG). Erfolgt keine Berichtigung, schuldet der Rechnungsaussteller die ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1, Satz 2 UStG. Die Anzahlungen müssen in der Schlussrechnung nur dann als Bruttobeträge mit dem noch zu zahlenden Betrag verrechnet werden, wenn im Zeitpunkt der Schlussrechnung noch keine Rückerstattung der Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger im Wege der Berichtigung erfolgt ist. 
 
Es ist jedoch nicht zu beanstanden, wenn bei der Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nur das um das vor dem 01.01.2023 vom leistenden Unternehmer vereinnahmte Entgelt oder die vereinnahmten Teile des Entgelts geminderte Entgelt zugrunde gelegt wird (Nichtbeanstandungsregelung). Voraussetzung hierfür ist, dass diese Anzahlung(en) vom leistenden Unternehmer in zutreffender Höhe erklärt (= in einer Umsatzsteuer-Voranmeldung oder in einer Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr angemeldet) und gezahlt wurde(n). In derartigen Fällen sind die Rechnungen, mit denen über die Anzahlungen abgerechnet wurde, nicht zu berichtigen.
 
4 Berichtigung einer vor 01.01.2023 erstellten Anzahlungsrechnung, wenn Zahlung erst nach 31.12.2022 erfolgt
Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem der leistende Unternehmer das Entgelt vereinnahmt, unabhängig davon, wann er die zugehörige Anzahlungsrechnung erstellt hat (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 4, § 13b Abs. 4 Satz 2 UStG). Kommt es erst ab dem 01.01.2023 zur Zahlung einer Anzahlungsrechnung des leistenden Unternehmers mit Umsatzsteuerausweis, muss der leistende Unternehmer die Rechnung berichtigen. Ansonsten schuldet er als Aussteller der Rechnung die Umsatzsteuer gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1, Satz 2 UStG. 
 
5 Abrechnungen nach 31.12.2022 über Leistungen, die vor 01.01.2023 erbracht worden sind
Für Leistungen, die vor dem 01.01.2023 erbracht wurden, ist der leistende Unternehmer nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG Steuerschuldner. § 13b Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. Abs. 5 UStG ist insoweit nicht anzuwenden. Der leistende Unternehmer muss eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis ausstellen.
 
6 Berichtigung einer vor 01.01.2023 erstellten und bezahlten Anzahlungsrechnung nach 31.12.2022
Vereinnahmt der leistende Unternehmer eine Anzahlung vor dem 01.01.2023, stellt sich jedoch erst nach dem 01.01.2023 heraus, dass der Anzahlungsbetrag der Höhe nach unrichtig war, ist ebenfalls die Nichtbeanstandungsregelung bei Vorliegen der Voraussetzungen anwendbar. Die Anzahlungsrechnung ist dann nur insoweit zu berichtigen, als der überzahlte Betrag ab dem 01.01.2023 zurückgezahlt wurde. Der Leistungsempfänger wird nur dann Steuerschuldner im Rahmen des Reverse-Charge-Verfahrens, soweit er dem leistenden Unternehmer ab dem 01.01.2023 ein weiteres Entgelt zahlt. 
 
7 Praxishinweis
Das BMF-Schreiben sorgt für Klarstellung der umsatzsteuerlichen Behandlung bei Anzahlungen. Die Finanzverwaltung schafft damit Rechtssicherheit. Unternehmer, die mit Emissionszertifikaten handeln, sollten überprüfen, ob bei ihnen eine Pflicht zur Rechnungsberichtigung besteht. Sollte dies der Fall sein, müssen sie zur Vermeidung der Rechtsfolge einer Steuerpflicht als Rechnungsaussteller handeln.
 
Ansprechpartnerin:
 
 
Dobrinka Atanasova
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Steuerrecht
+49 (0) 89 217501255
 
Stand: 12.10.2023