Umsatzsteuer Newsletter 10/2023
BFH zu Gutschein-Codes als Einzweck-Gutscheine und Zweifeln an feststehendem Leistungsort
Der BFH hatte sich mit der Übertragung von Gutschein-Codes zum Bezug digitaler Inhalte zu befassen, und zwar sowohl nach alter Rechtslage bis 31.12.2018 als auch nach neuer Rechtslage ab 01.01.2019. Für die alte Rechtslage geht der BFH davon aus, dass die Übertragung der Gutschein-Codes der Anzahlungsbesteuerung unterliegt und der Ort der zugrundeliegenden Leistung hinreichend bestimmt ist. Für die neue Rechtslage äußert der BFH hingegen allgemeine Zweifel an der Auslegung des Kriteriums „feststehender Leistungsort“ bei Gutscheinen über Dienstleistungen und wendet sich damit an den EuGH.
1 Hintergrund
Seit 01.01.2019 gibt es mit § 3 Abs. 13 bis 15 UStG erstmals gesetzliche Regelungen zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Gutscheinen. Zuvor richtete sich die Einordnung von Gutscheinen nach allgemeinen Grundsätzen. Die Neuregelung differenziert nun zwischen Einzweck-Gutscheinen, deren Ausgabe und Übertragung(en) jeweils steuerbar sind, und Mehrzweck-Gutscheinen, die erst mit Einlösung zu einem steuerbaren Umsatz führen. Ein Einzweck-Gutschein liegt nur dann vor, wenn der Ort der Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die geschuldete Steuer im Zeitpunkt der Übertragung des Gutscheins bereits feststehen. Andernfalls liegt ein Mehrzweck-Gutschein vor.
 
2 Sachverhalt
Die Klägerin (Kl.) verkauft Guthabenkarten zum Erwerb digitaler Inhalte im PlayStation Store (PSN Cards). Herausgeber der PSN Cards und Betreiber des PlayStation Stores ist Sony Europe mit Sitz in UK. Die Erwerber können mithilfe der PSN Cards Guthaben auf ihr PlayStation-Nutzerkonto laden und damit im PlayStation Store digitale Inhalte beziehen. Die von der Kl. vertriebenen PSN Cards haben eine deutsche Länderkennung und können nach den Vorgaben von Sony nur von Nutzerkonten eingelöst werden, die auf eine deutsche Adresse registriert sind. In seinen Nutzungsbedingungen fordert Sony die Nutzer unter Androhung von Sanktionen ausdrücklich zur wahrheitsgemäßen Dateneingabe auf.
 
Die Kl. bezog die PSN Cards über Zwischenhändler bis 2018 aus dem Inland, anschließend aus dem europäischen Ausland. Sie versteuert weder den Einkauf (aus dem Ausland) noch den Verkauf der PSN Cards. Ihres Erachtens ist die Übertragung der PSN Cards umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich, da der Leistungsort nicht hinreichend bestimmt ist. Da Sony sich auf die vom Nutzer für sein Konto hinterlegte Adresse verlasse, diese aber zu keiner Zeit überprüfe, könnten auch im Ausland ansässige Nutzer PSN Cards mit deutscher Länderkennung kaufen und nutzen.
 
3 BFH entscheidet zur Rechtslage vor dem 01.01.2019 (XI R 11/21)
Für die Rechtslage bis 31.12.2018 hat der BFH auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts entschieden, dass die Übertragung der PSN Cards der Anzahlungsbesteuerung unterliegt. Er geht mit Verweis auf die Rechtsprechung zum Verkauf von Telefonkarten davon aus, dass die Guthabenkarten wie eine Ware gehandelt werden. Nach Auffassung des BFH stehen „für den Regelfall einer vertragsgemäßen Nutzung“ sowohl der Leistungsort als auch die Steuerschuld für die vom Gutschein verkörperte Leistung fest. Die Gutscheine mit deutscher Länderkennung berechtigen dann ausschließlich zum Bezug elektronischer Dienstleistungen (zum Regelsteuersatz) durch im Inland ansässige Endverbraucher, weshalb sich der Leistungsort im Inland befinde. Auf vertragswidriges Verhalten soll sich die Kl. nicht berufen können. 
 
4 EuGH-Vorlage zur Rechtslage nach dem 01.01.2019 (XI R 21/21)
Auch für die Rechtslage nach dem 01.01.2019 sieht der BFH die Einwendungen der Kl. zum nicht hinreichend bestimmten Wohnsitz der Endkunden als unbeachtlich an. Unter Berücksichtigung allein der elektronischen Dienstleistung an die Endkunden ordnet er die PSN Cards als Einzweck-Gutschein ein, deren Übertragung der Umsatzsteuer unterliegt.
 
Der BFH hat allerdings Zweifel, ob der feststehende Leistungsort allein anhand dieser Leistung an den Endkunden zu beurteilen ist. Vielmehr hält er es für möglich, dass auch etwaige Übertragungen der Gutscheine an Zwischenhändler zu berücksichtigen sind, die im Falle der Annahme eines Einzweck-Gutscheins wiederum als Leistungen gelten, und wendet sich mit einer entsprechenden Frage an den EuGH. Den Zweifeln liegt die Frage zugrunde, wie die bei der Übertragung von Einzweck-Gutscheinen fingierten Leistungen hinsichtlich ihres Leistungsorts zu beurteilen sind: nach der vom Gutschein verkörperten Leistung an den Endkunden oder individuell unter Berücksichtigung der am Umsatz beteiligten Parteien. In letzterem Fall könnten Übertragungen an ausländische Zwischenhändler im Ausland steuerbar sein, obwohl die Einordnung als Einzweck-Gutschein darauf beruht, dass der Ort der Leistung an den Endkunden stets in Deutschland liegt. Dies könnte nach Auffassung des BFH die Einordnung der PSN Cards als Einzweck-Gutschein ausschließen und insgesamt zu einer erheblichen Einschränkung von Einzweck-Gutscheinen im Dienstleistungsbereich führen. Der BFH will für diesen Fall hilfsweise wissen, ob eine Besteuerung der Übertragung anderweitig erreicht werden kann.
 
5 Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des BFH zur alten Rechtslage macht seine Position zur Einordnung von Guthabenkarten für eng umfasste Leistungen deutlich. Dennoch bleiben stets die individuellen Verhältnisse zu berücksichtigen (insbesondere zum bestimmungsgemäßen Gebrauch). Für die neue Rechtslage ab 01.01.2019 bleibt zunächst die Entscheidung des EuGH abzuwarten. Insbesondere für die Behandlung der Übertragung von Gutscheinen in Leistungsketten ergeben sich möglicherweise Klarstellungen durch den EuGH. Sofern der EuGH bestätigt, dass Übertragungen an Zwischenhändler bei der Beurteilung des feststehenden Leistungsorts zu berücksichtigen sind, schließt sich die weitere Frage an, ob dies bereits für die (ggf. rein hypothetische) Möglichkeit der Einschaltung von Zwischenhändlern gilt. Nimmt die Finanzverwaltung für ähnliche Sachverhaltsgestaltungen bereits Einzweck-Gutscheine an, sollten Unternehmer betroffene Veranlagungszeiträume bis zur Entscheidung des EuGH offenhalten. Gehen Unternehmer bisher noch unbeanstandet von Mehrzweck-Gutscheinen aus, sollten sie die Konsequenzen einer abweichenden Beurteilung bereits jetzt überprüfen. 
 
Ansprechpartnerin:
 
 
Laura Klein
Steuerberaterin, Master of Science (M.Sc.)
(Rechts- und Wirtschaftswissenschaften)
Telefon: +49 89 217501296
 
Stand: 15.02.2023