Umsatzsteuer Newsletter 08/2024
Gesamtumsatzschlüssel zur Vorsteueraufteilung: Nachrangig, aber in der Praxis häufig verwendet
Mit Schreiben vom 13.02.2024 nimmt das BMF zu einem äußerst praxisrelevanten und in Betriebsprüfungen streitanfälligen Thema Stellung: nämlich zur Vorsteueraufteilung bei gemischter Verwendung von Eingangsleistungen (vorsteuerberechtigend und vorsteuerschädlich). Das BMF ändert den UStAE und äußert sich dabei insbesondere zum Verhältnis eines Gesamtumsatzschlüssels zu anderen Aufteilungsmethoden. Außerdem erläutert es, wie der Gesamtumsatzschlüssel zu bilden ist. Es handelt sich im Wesentlichen um Präzisierungen, nicht hingegen um bahnbrechende Neuerungen.
1 Hintergrund
Zur Ermittlung der Vorsteuerabzugsberechtigung aus Eingangsleistungen muss der Unternehmer zunächst versuchen, jede Eingangsleistung einzelnen seiner Ausgangsleistungen unmittelbar zuzuordnen. Ist diese unmittelbare Zuordnung möglich, kann der Unternehmer je nachdem, ob die entsprechende Ausgangsleistung zum Vorsteuerabzug berechtigt oder nicht, den Vorsteuerabzug vollständig oder gar nicht vornehmen. Ist eine derartige unmittelbare Zuordnung zu einzelnen Ausgangsleistungen nicht möglich, kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug trotzdem (partiell) vornehmen, wenn sich die Eingangsleistung seiner gesamten unternehmerischen Tätigkeit unmittelbar zuordnen lässt.
 
Im Fall einer Zuordnung zur Gesamttätigkeit ist zu bestimmen, in welchem Umfang die Eingangsleistung auf zum Vorsteuerabzug berechtigende und nicht berechtigende Ausgangsumsätze entfällt. § 15 Abs. 4 Satz 2, 3 UStG gibt für die Bildung der notwendigen Vorsteuerquote vor, dass der Unternehmer eine sachgerechte Schätzung vornehmen darf und der Gesamtumsatzschlüssel gegenüber anderen Quoten nachrangig ist. Nachdem das BMF sich in diesem Zusammenhang zuletzt im Jahr 2022 zur Vorsteueraufteilung bei Grundstücken geäußert hat (KMLZ Umsatzsteuer Newsletter 42 | 2022), geht es nunmehr um den sog. Gesamtumsatzschlüssel und dessen Verhältnis zu anderen Aufteilungsschlüsseln.
 
2 Inhalt des BMF-Schreibens vom 13.02.2024
Nach Auffassung des BMF ist jeder andere Aufteilungsschlüssel vorrangig anzuwenden, wenn er präzisere Ergebnisse liefert als der Gesamtumsatzschlüssel. Dabei sind auch auf Umsatzzahlen beruhende Aufteilungsschlüssel, die jeweils nur einen Teil der Umsätze einbeziehen (z. B. nur die Umsätze einzelner Abteilungen) vorrangig. Wie schon immer obliegt dem Unternehmer die Auswahl unter verschiedenen präziseren Methoden. Es muss sich dabei nicht um die präziseste Methode handeln. Nur wenn der Unternehmer keine präzisere Methode als den Gesamtumsatzschlüssel wählt, darf die Finanzverwaltung einen sachgerechten und präziseren Aufteilungsschlüssel als den Gesamtumsatzschlüssel anwenden. Wie bisher ist für das BMF der Flächenschlüssel bei Gebäuden grundsätzlich dem objektbezogenen Umsatzschlüssel als Aufteilungsmethode vorzuziehen. Das entsprechende BFH-Urteil hat das BMF in den UStAE aufgenommen.
 
Bei der Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels ist nach Abschn. 15.17 Abs. 3a UStAE ein Bruch wie folgt zu bilden:
 
 
Dabei sind spezielle Umsätze, die das Ergebnis verzerren würden (z. B. bestimmte Hilfsumsätze, Geschäftsveräußerungen, Kapitalerträge, Verkäufe von Investitionsgütern), weder im Zähler noch im Nenner einzubeziehen. Zuzuaddierende Umsätze sind mit ihrer Bemessungsgrundlage und in Fällen der Versteuerung nach § 25 (Reiseleistungen) oder § 25a UStG (Differenzbesteuerung) mit dem vereinnahmten Entgelt jeweils im Zeitpunkt der Steuerentstehung aufzunehmen. In Voranmeldungen kann der Vorsteuerschlüssel des Vorjahres genutzt werden. Die entsprechende Korrektur ist sodann in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung durchzuführen.
 
Grundsätzlich ist bei der Berechnung der Quote auf die zweite Nachkommastelle zu runden. Eine Aufrundung auf den vollen Prozentsatz ist ausschließlich bei Anwendung des Gesamtumsatzschlüssels möglich. Durch diese Neuregelung setzt das BMF ein einschlägiges EuGH-Urteil aus dem Jahr 2016 (C-186/15 – Kreissparkasse Wiedenbrück) um.
 
Bezüglich der Vorsteuerkorrektur stellt das BMF klar, dass bei Anwendung eines Gesamt- oder Teilumsatzschlüssels wegen schwankender Umsatzhöhen eine Prüfung nach § 15a UStG in den Folgejahren regelmäßig erforderlich ist.
 
3 Praxisfolgen
Das BMF präzisiert durch sein aktuelles Schreiben im Wesentlichen an unterschiedlichen Stellen des UStAE die Vorgaben zur Vorsteueraufteilung bei gemischter Verwendung. Grundlegende Neuerungen ergeben sich daraus nicht. 
 
Wichtig ist: Auch das BMF bleibt dabei, dass der Unternehmer primär selbst entscheiden kann, welchen Vorsteuerschlüssel er anwendet. Der Schlüssel muss lediglich sachgerecht sein. Es muss sich aber nicht um den präzisesten Schlüssel handeln. Nur wenn der Unternehmer keine sachgerechte Aufteilung vornimmt oder lediglich eine Aufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel, kann das Finanzamt einen selbst gebildeten (sachgerechten) Vorsteuerschlüssel anwenden. Insoweit geht die neue Regelung im UStAE über dessen bisherige ausdrückliche Aussagen geringfügig hinaus. Auch unterscheidet das BMF nunmehr anders als zuvor zwischen dem Gesamtumsatzschlüssel und anderen Umsatzschlüsseln. Finden beide Seiten keine sachgerechte(re) Methode, bleibt es beim Gesamtumsatzschlüssel. Es gilt deshalb für jeden Unternehmer, sich vorab Gedanken zu machen, wie er die Vorsteuern aufteilen möchte. Er sollte unterjährig entsprechende Buchungen vornehmen und für die Aufteilung notwendige Daten sammeln. In der Praxis zeigt sich, dass eine nachträgliche Aufteilung nach einem anderen Schlüssel als einem Umsatzschlüssel regelmäßig kaum möglich ist. 
 

Nicht im UStAE umgesetzt war bislang die Rechtsprechung zur Aufrundung der Vorsteuerquote in Fällen der Anwendung eines Gesamtumsatzschlüssels. Eine Aufrundung in anderen Fällen wird demgegenüber nunmehr nicht mehr möglich sein. Insoweit entspricht das jetzige BMF-Schreiben der Rechtsprechung auch des BFH.


Ansprechpartner:

Dr. Michael Rust
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: +49 89 217501274
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Stand: 21.02.2024