Umsatzsteuer Newsletter 14/2015
EuGH entscheidet über Mietnebenkosten und gibt dabei Hinweise zu Auto Lease Holland
Eine Mehrzahl von unterschiedlichen Leistungen kann als eine einheitliche Leistung gelten. Die Leistungen sind aber grundsätzlich selbstständig und separat zu beurteilen. Die Abgrenzung fällt in der Praxis meist schwer. Die Kriterien sind mehrdeutig. Der EuGH hat nun zu Nebenleistungen bei Vermietung erfreulich klare Aussagen getroffen. Versorger, Vermieter und Mieter sollten prüfen, ob die bisher praktizierte Nebenkostenabrechnung den vom EuGH aufgestellten Kriterien entspricht. Daneben hat der EuGH den Anwendungsbereich der Grundsätze seines Urteils in der Rs. Auto Lease Holland konkretisiert. Damit konfrontierte Unternehmen bekommen mehr Rechtssicherheit. Sie sollten aber ebenfalls prüfen, ob ihre Praxis den EuGH-Vorstellungen entspricht.

Der EuGH hat am 26.02.2015 eine in mehrfacher Hinsicht interessante und für die Praxis relevante Entscheidung getroffen (Rs VDP Dental Laboratory, C-42/14.). Gemäß den Vorlagefragen musste sich der EuGH zuerst mit der Rechtsprechung in der Rs. Auto Lease Holland auseinandersetzen, bevor er sich der Kernfrage zur Einheitlichkeit der Leistung widmen konnte.

1. Auto Lease Holland
Liegt eine Leistung des Vermieters an den Mieter vor oder eine direkte Leistung des Versorgers an den Mieter? Ist der Vermieter also überhaupt Steuerschuldner? Ein Vorsteuerabzug aus der Nebenkostenabrechnung des Vermieters wäre dann für die Mieter ausgeschlossen. Sowohl für den Versorger als auch den Vermieter könnte sich daraus sogar eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG ergeben. Schließlich erteilen dann beide Rechnungen mit Steuerausweis, obwohl sie entweder keine Leistung oder eine Leistung an einen anderen Empfänger ausgeführt haben.

Das hätte flächendeckend erhebliche Konsequenzen für alle Versorger und Vermieter. Ähnlich schwerwiegende Auswirkungen hatten nach dem Urteil des EuGH in der Rs. Auto Lease Holland (C-185/01) und dem sich anschließenden BFH-Urteil vom 10.04.2003 (V R 26/00) den Leasing-Unternehmen, den Mineralölgesellschaften, den Tankkartenunternehmen und den Leasingnehmern gedroht. Auch dort hatte sich die Frage gestellt, zwischen welchen Parteien der Leistungsaustausch erfolgt. Polen ist eines der wenigen Länder, in denen sich die Gerichte schon länger und sehr kontrovers mit den Fragen und Wirkungen des EuGH-Urteils Auto Lease Holland auseinandersetzen. Es verwundert deshalb nicht, dass der vorlegende Oberste Verwaltungsgerichtshof Polens den EuGH konkret danach befragt.

Der EuGH erkennt jedoch keine Parallelen zwischen dem aktuellen Fall und dem Urteil in der Rs. Auto Lease Holland. Den maßgeblichen Unterschied sieht der EuGH darin, dass zwischen dem Versorger und dem Vermieter ein Vertrag über den Bezug der Leistungen besteht. In der Rs. Auto Lease Holland gab es keinen gesonderten Liefervertrag zwischen Mineralölgesellschaft und Leasinggeber, sondern nur eine Vereinbarung über Kraftstoffverwaltung zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer.

Das Urteil liefert damit eine wichtige Klarstellung für die Unternehmen, die sich mit der Entscheidung Auto Lease Holland konfrontiert sehen. Gesonderte Lieferverträge zwischen den Beteiligten durch die Lieferkette hindurch dürften ein weiteres Kriterium sein, um nicht in den Dunstkreis von Auto Lease Holland zu geraten. Daneben sollten im Bereich der Kraftstofflieferungen die Regelungen des BMF-Schreibens vom 15.06.2004 beachtet werden, mit dem das BMF versucht hatte, die drastischen Wirkungen der Rechtsprechung abzumildern.

Versorger und Vermieter sollten prüfen, ob die vertraglichen Vereinbarungen existieren und hinreichend konkret sind, um die Leistungskette über den Vermieter zu rechtfertigen.

2. Abgrenzungskriterien für Nebenleistungen
Zur eigentlichen Kernfrage, ob die Mietnebenkosten Teil des Entgelts für die einheitliche Vermietungsleistung darstellen oder Entgelt für von der Vermietung getrennte Leistungen sind, hat der EuGH mangels Sachverhaltsangaben nicht entscheiden können. Dieser auf den ersten Blick nachteilig erscheinende Umstand ist genau genommen ein Vorteil. Der EuGH hatte damit schließlich die Gelegenheit, wertvolle Hinweise zu den Abgrenzungskriterien zu geben. Die bisherigen Entscheidungen (RLRE Tellmer Property und Field Fisher Waterhouse) waren sehr spezielle Fälle, deren Ergebnisse nur bedingt auf andere Fälle übertragbar sind. Der EuGH hat nun folgende Kriterien definiert:

a) getrennte Leistungen
Der Mieter hat die Möglichkeit, den Leistenden und/oder die Nutzungsmodalitäten der zusätzlichen Leistungen auszuwählen. Hierunter fasst der EuGH selbst die weitverbreitete Praxis, den Verbrauch von Wasser, Elektrizität oder Wärme durch Zähler individuell zu ermitteln und entsprechend abzurechnen. Hierdurch könne der Mieter über die Nutzung der Leistungen entscheiden. Der getrennte Ausweis der Mietnebenkosten sei ein weiteres Indiz für getrennte Leistungen.

b) einheitliche Leistung
Die Vermietung stellt objektiv eine Einheit mit den begleitenden Leistungen dar. Diese Einheit ist nach Ansicht des EuGH offenbar aber nur in besonderen Fällen gegeben, wie etwa bei der schlüsselfertigen Vermietung von Büroräumen oder der kurzzeitigen Vermietung anderer Immobilien, die weitere Leistungen inkludiert. Gleiches gilt, wenn der Vermieter in der Wahl der Leistenden und/oder der Nutzungsmodalitäten beschränkt ist. Dies wäre z. B. der Fall, wenn der Vermieter Teileigentümer ist und die Eigentümerversammlung gemeinschaftlich Entscheidungen zum Bezug von Leistungen trifft, die der Vermieter mitzutragen hat.

Damit sollte die Behandlung als einheitliche Leistung nur noch selten möglich sein. Lediglich auf die Mietfläche pauschal umgelegte Kosten von Leistenden, die der Mieter nicht frei wählen kann, dürften tatsächlich Nebenleistungen sein. Immer dann, wenn der Mieter den Leistenden theoretisch auswählen könnte, oder wenn nach tatsächlichem Verbrauch abgerechnet wird, sind eher separate Leistungen anzunehmen. Das BMF wird nicht umhinkommen, Abschn. 4.12.1 des UStAE dementsprechend anzupassen und die konkreten Vorgaben des EuGH aufzunehmen.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 24.04.2015