Umsatzsteuer Newsletter 21/2015
Konsignationslager – Behandlung hängt von Vertragsinhalten ab
Das Niedersächsische FG hat am 18.06.2015 (Az. 5 K 335/14) der Auffassung der Finanzverwaltung für Lieferungen über ein Konsignationslager widersprochen. Es ging dabei um Lieferungen aus der EU in ein Call-off Stock in Deutschland. Das FG hat entschieden, dass es auf die konkreten vertraglichen Vereinbarungen der Parteien ankommt. Insbesondere sei zu prüfen, ob vor Bestückung des Lagers bereits ein unbedingter Kaufvertrag vorlag. Damit wird deutlich, dass sich die Unternehmen nicht auf die pauschalen Aussagen zu Auslieferungs- und Konsignationslagern im UStAE verlassen können. Sowohl Lieferanten als auch Abnehmer müssen genau prüfen, welchen Inhalt ihre Konsignationslagerverträge haben.

1. Sachverhalt
Ein britischer Automobilzulieferer (Kläger) lieferte Zierblenden an einen deutschen Automobilproduzenten (Kunde). Die Zierblenden wurden in Großbritannien hergestellt, nach Deutschland transportiert und in einem vom Kläger angemieteten Warenlager zwischengelagert. Dort wurden sie für den Kunden in der EDV erfasst und umgepackt. Wenige Tage bis zu vier Wochen später entnahm der Kunde die Zierblenden für die Produktion. Lieferabrufe / Bestellungen erfolgten 8 bis 10 Wochen vor Entnahme. Es gab zwischen den Parteien umfangreiche Vereinbarungen. Unter anderem war vereinbart worden, dass Gefahr, Eigentum und Verfügungsmacht bei Entnahme übergehen sollten.

2. Rechtslage
Die deutsche Finanzverwaltung sieht den Lieferort bei Lieferungen über Auslieferungs- und Konsignationslager dort, wo das Lager liegt. Die Befüllung des Lagers aus anderen EU-Mitgliedstaaten gilt als innergemeinschaftliches Verbringen. Dies ergibt sich aus Abschn. 3.12 Abs. 3 Satz 7 und Abschn. 1a.2 Abs. 6 UStAE. Das Hessische FG hat in seinen Entscheidungen 1 V 2518/10 vom 21.06.2011 und 1 K 108/11 vom 30.10.2014 Zweifel an dieser Auffassung geäußert. Auch der BFH hatte in seinem Urteil XI R 67/07 für den Fall einer Zwischenlagerung mit Ship-to-hold-Klausel vom 30.07.2008 entschieden, dass die Lagerung unbeachtlich sei. Daraus wurde vielfach abgeleitet, dass sich die Behandlung von Konsignationslagern ändern müsse. Dem hat die Finanzverwaltung widersprochen, insbesondere in der Verfügung der OFD Frankfurt am Main vom 17.10.2010.

3. Entscheidung des Finanzgerichts
Das FG führt aus, dass ein Umsatzgeschäft vorliegt, wenn ein konkretisiertes schuldrechtliches Rechtsverhältnis – also in der Regel ein Kaufvertrag – existiert, aufgrund dessen der liefernde Unternehmer einem bestimmten oder zumindest bestimmbaren Abnehmer die Verfügungsmacht zu verschaffen hat. Da es für Konsignationslager kein Sonderrecht gibt, richtet sich deren Behandlung nach diesem allgemeinen Grundsatz.
Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung bei der Einlagerung in ein Konsignationslager hängt damit von der konkreten Ausgestaltung des Konsignationslagervertrags ab. Die Parteien können regeln, dass erst bei Abruf der Ware aus dem Lager durch den Abnehmer, also bei Entnahme, ein Kaufvertrag über die entnommene Ware bei gleichzeitiger Lieferung durch den Lieferanten und Erwerb durch den Abnehmer zustande kommt. Die Vertragsparteien können auch einen unbedingten Kaufvertrag über den Warenbestand des Lagers abschließen mit gleichzeitiger Eigentumsvorbehaltsabrede und Stundung des Kaufpreises bezogen auf den Zeitpunkt der Entnahmen. Um welche Gestaltungsalternative es sich im Einzelfall handelt, ist durch Auslegung des zugrunde liegenden Lagervertrags zu ermitteln.

Das FG ist unter Berücksichtigung und Auslegung der eingereichten Vertragsunterlagen zu der Überzeugung gelangt, dass jeder einzelnen Warenlieferung der Klägerin bei Lieferbeginn bereits ein unbedingter Kaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Kunden zugrunde lag. Dies schließt das FG aus den folgenden Umständen:
• Nur ein Abnehmer ist zur Entnahme berechtigt (Call-off Stock) und die Produkte wurden speziell für den Kunden hergestellt.
• Verbindliche Bestellungen (Lieferabrufe) und damit unbedingte Kaufverträge lagen stets vor Lieferbeginn in Großbritannien vor.
• Die Kundenvorgabe für Etikettierung und Erfassung in der Kunden-EDV spricht für die Zurechnung zum Kunden.
• Lagerkosten und Versicherung hat zwar der Lieferant zu tragen, diese Kosten werden aber auf den Kunden umgelegt, sodass der Kunde wirtschaftlich damit belastet ist.
• Die theoretische Möglichkeit für den Lieferanten, Teile aus dem Lager zu entnehmen, bleibt außer Betracht, da dies wirtschaftlich sinnlos wäre.
• Die Regelung zum Übergang der Verfügungsmacht gemäß UStG ist eine steuerlich unbeachtliche Wertung und steht im Widerspruch zu vertraglichen Regelungen und zur tatsächlichen Durchführung.
• Die bilanzielle Behandlung aus ertragsteuerlichen oder handelsrechtlichen Gründen ist irrelevant.

4. Fazit
Das Finanzamt hat keine Revision eingelegt. Es wird damit weiterhin keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu Konsignationslagern geben. Die deutsche Finanzverwaltung scheint auch ihre Auffassung nicht ändern zu wollen. Dem Vernehmen nach denkt die EU-Kommission zwar über die Behandlung von Konsignationslagern nach. Kurz- und mittelfristig dürften aber keine Ergebnisse zu erwarten sein.

Die Rechtsprechung zeigt jedoch, dass Lieferanten und Ab­nehmer auch weiterhin genau prüfen müssen, welchen kon­kreten Inhalt Konsignationslagerverträge haben. Entweder könnte der Lieferant unerkannt steuerpflichtige Umsätze tätigen, weil die Lieferungen als ab dem Lager ausgeführt gelten. Oder der Abnehmer ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil die Lieferungen gerade nicht ab dem Lager ausgeführt gelten. In letzterem Fall wäre darüber nachzudenken, ob es einen Vertrauensschutz nach § 176 AO geben könnte.

Es kommt darauf an, welche Vereinbarungen die Parteien getroffen haben und wann demzufolge die Verfügungsmacht übergeht. Da dies in vielen Fällen nur schwer zu beurteilen ist, sollten neu abzuschließende Verträge auf diesen Aspekt hin optimiert und möglichst eindeutig gestaltet werden. Vertrieb und Einkauf sollten deshalb über die Problematik informiert werden und angehalten werden, vor Vertragsabschluß die Steuerabteilung konsultieren. Bei be­reits bestehenden Verträgen wäre zu prüfen, ob sie den Übergang der Verfügungs­macht so eindeutig regeln, dass die umsatzsteuerliche Behandlung den Vorstellungen sowohl der Finanzverwaltung als auch der Rechtsprechung genügt.

 

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 13.10.2015