Umsatzsteuer Newsletter 25/2015
Voller Vorsteuerabzug bei Zuschüssen
Der EuGH weicht in der Rs. Sveda das Recht auf Vorsteuerabzug auf. Auch bei einer kostenfreien Verwendung von Investitionsgütern können Unternehmer den Vorsteuerabzug geltend machen. Das Urteil stellt zugleich einen wichtigen Beitrag zu der Frage dar, ob und inwieweit Unternehmer bei Zuschüssen zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Nicht nur gemeinnützige Einrichtungen werden von dieser neuen Rechtsprechung profitieren. Die Entscheidung dürfte auch Bedeutung für die Frage des Vorsteuerabzugs bei Holdings haben.

1. Problemstellung
Nach der MwStSystRL ist der Vorsteuerabzug grundsätzlich zu gewähren, wenn ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Eingangsumsatz und einem Ausgangsumsatz besteht, der das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnet. Wie aber stellt sich die Rechtslage dar, wenn geplant ist, das Investitionsgut unmittelbar der Öffentlichkeit zur kostenfreien Nutzung verfügbar zu machen? Hier schließt sich dann regelmäßig die Frage an, inwieweit erhaltene Zuschüsse das Recht auf Vorsteuerabzug einschränken.

2. Sachverhalt
Die Klägerin hatte sich gegenüber einem Ministerium verpflichtet, im Rahmen eines Projekts einen „Entdeckungsweg zur baltischen Mythologie“ zu errichten sowie diesen Weg später der Öffentlichkeit zur kostenfreien Nutzung anzubieten. Das Ministerium gewährte einen Zuschuss von 90 % der Kosten für diesen Weg. Die restlichen 10 % musste die Klägerin selbst aufbringen. Die Klägerin beabsichtigte, Besucher durch den Verkauf von Souvenirartikeln und die Erbringung von Verpflegungsleistungen anzuziehen.

Das Finanzamt verweigerte den Vorsteuerabzug aus den Investitionskosten für den Weg, da kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Anschaffung des Weges und der Erbringung von besteuerten Ausgangsumsätzen gegeben sei.

3. EuGH, Urt. v. 22.10.2015, C-126/14 Sveda
Der EuGH hingegen sah den Vorsteuerabzug als gerechtfertigt an. Nach Auffassung des EuGH wird der direkte und unmittelbare Zusammenhang nicht durch die Einräumung der kostenfreien Nutzung des Weges aufgelöst. Entscheidend ist vielmehr, dass die getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören.

Die unmittelbare kostenfreie Verwendung von Investitionsgütern stellt nach Auffassung des EuGH deshalb nicht den direkten und unmittelbaren Zusammenhang in Frage, der zwischen den Eingangsumsätzen und den das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnenden Ausgangsumsätzen oder mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen besteht. Diese konkrete Verwendung des Weges zur Ermöglichung der kostenfreien Nutzung schränkt daher das Recht auf Vorsteuerabzug nicht ein. Für den EuGH war vielmehr ausschlaggebend, ob der Steuerpflichtige später auch beabsichtigte, steuerpflichtige Umsätze zu erbringen. Da dies im Streitfall feststand, hat der EuGH den Vorsteuerabzug in vollem Umfang gewährt.

4. Hinweise für die Praxis
Interessant ist nicht nur die Aussage des EuGH, dass selbst in den Fällen, in denen ein Steuerpflichtiger ein Investitionsgut Dritten zur kostenfreien Nutzung anbietet, der Vorsteuerabzug voll erhalten bleibt. Der unmittelbare Zusammenhang wird hier also nicht in der kostenfreien Nutzung des Weges, sondern in dem steuerpflichtigen Verkauf von Souvenirartikeln gesehen, der am Rande des Weges stattfinden wird. Ob dies als (weit verstandener) unmittelbarer Zusammenhang eingestuft wird oder als „mittelbarer“ Zusammenhang betrachtet wird, bleibt Geschmacksfrage. Dieses neue Verständnis des unmittelbaren Zusammenhangs wird aber auch Bedeutung bei der Frage des Vorsteuerabzugs bei Holdings haben.

Sehr interessant in diesem Fall ist die Tatsache, dass der EuGH an keiner Stelle die Zuschüsse als schädlich für den Vorsteuerabzug eingestuft hat.

Die nationale Rechtsprechung hat dies in jüngster Zeit häufig anders gesehen. Zuschüsse wurden danach oft als nachteilig für den Vorsteuerabzug erachtet. Auch werden Steuerpflichtige immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob der Zuschuss nicht als Entgelt von dritter Seite und damit als steuerbarer Umsatz gelten muss.

Das Urteil des EuGH gibt daher insbesondere zuschussfinanzierten Unternehmen wieder Hoffnung, doch noch in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu kommen. Die Mahnung des EuGH wird viele dieser Einrichtungen aufhorchen lassen:

„Die Finanzverwaltungen und die nationalen Gerichte haben bei der Anwendung des Kriteriums des unmittelbaren Zusammenhangs dabei alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden Umsätze ausgeführt wurden, und nur die Umsätze heranzuziehen, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen.“

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 04.11.2015