Umsatzsteuer Newsletter 31/2015
Leitfaden der EU-Kommission zu grundstücksbezogenen Leistungen
Die EU-Kommission hat Leitlinien zur Auslegung der Regeln zum Ort grundstücksbezogener Leistungen veröffentlicht. Der Veröffentlichung gingen ausführliche Konsultationen mit den EU-Mitgliedstaaten und Wirtschaftsvertretern voran. Die Leitlinien entsprechen teilweise der aktuellen deutschen Rechtspraxis. An einigen entscheidenden Punkten weichen sie allerdings von der Rechtsprechung des BFH und der Auffassung der Finanzverwaltung ab. Insofern können die Leitlinien vor allem bei finanzgerichtlichen Verfahren eine wertvolle Hilfe sein.

1. Hintergrund

Die EU-DVO 1042/2013 vom 07.10.2013 enthält zahlreiche Änderungen der MwStDVO (EU-DVO 282/2011 vom 15.03.2011). So finden sich in der Verordnung auch wichtige ergänzende Regelungen zum Ort von grundstücksbezogenen Leistungen (Art. 13b, Art. 31a und Art. 31b MwStDVO n. F.). Diese treten zwar erst ab dem 01.01.2017 in Kraft. Vergleichbare Regelungen finden sich jedoch bereits heute in Abschn. 3a.3 UStAE. Insbesondere Art. 13b MwStDVO n. F., der den Begriff „Grundstück“ definiert, ist nahezu wortgleich in Abschn. 3a.3 Abs. 2 S. 3 UStAE enthalten. Auch der Gesetzgeber hat bereits Regelungen aus EU DVO 1042/2013 in die UStG übernommen. Der mit dem Steueränderungsgesetz 2015 neu formulierte § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG übernimmt einen Teil der Definition von Grundstücken aus Art. 13b MwStDVO n. F. Konkret fügt der Gesetzgeber Buchstabe d ein.

Zu Art. 13b, Art. 31a und Art. 31b MwStDVO n. F. hat die EU-Kommission nunmehr einen 55 seitigen Leitfaden veröffentlicht.

Im Folgenden sind wichtige Aussagen des Leitfadens kompakt zusammengestellt.

2. Inhalt des Leitfaden

2.1 Definition „Grundstück“

Der Begriff „Grundstück“ umfasst unter anderem:

1. mit oder in dem Boden über oder unter dem Meeresspiegel befestigte Bauwerke, die nicht leicht abgebaut oder bewegt werden können,
2. jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil eines Gebäudes oder eines Bauwerks bildet, und
3. Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder einem Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.

Zu Punkt 1 enthält der Leitfaden eine Liste objektiver Kriterien: Danach kann ein Bauwerk „nicht leicht abgebaut oder bewegt“ werden, wenn hierfür fachliche Spezialkenntnisse notwendig sind. Auch die Kosten, der Zeitaufwand und die Auswirkung auf restliche Gebäude sind entscheidend.

Zu Punkt 2 führt die EU-Kommission aus: Die Wesentlichkeit eines Bestandteils entscheidet sich anhand der Nutzung und des Zwecks des Gebäudes. So sollen z. B. Entrauchungsanlagen wesentliche Bestandteile von Fabrikgebäuden sein. Demgegenüber sind Betriebsvorrichtungen, wie z. B. Entrauchungsanlagen, laut BFH keine Bauwerke im Sinne des § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG a.F. (vgl. BFH, Urt. v. 28.08.2014 – V R 7/14). Durch das Steueränderungsgesetz 2015 wurde § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG nunmehr angepasst und um einen erweiterten Grundstücksbegriff ergänzt. Dieser ist wortgleich mit Art. 13b Buchst. d MwStDVO n. F. (s. oben Punkt 3). Durch die Gesetzesänderung sollen nun auch Betriebsvorrichtungen vom Grundstücksbegriff umfasst werden. Allerdings gehen sowohl der BFH, als auch der Gesetzgeber davon aus, dass Gegenstände in das Gebäude oder Bauwerk auf Dauer fest installiert sein müssen. Laut Art. 13b Buchst. c MwStDVO n. F. (s. oben Punkt 2) genügt es aber, wenn der Gegenstand einen „wesentlichen Bestandteil“ des Gebäudes oder Bauwerks bildet. Eine dauerhafte feste Installation ist dafür nicht notwendig (s. auch KMLZ Newsletter 27/2015 vom 16.11.2015, Tz. 1). Der Grundstücksbegriff von Art. 13b MwStDVO n. F. ist damit weiter als derjenige in § 13b Abs. 2 Nr. 4 S. 1 UStG.

Zu Punkt 3 soll laut EU-Kommission bezüglich des Begriffs „auf Dauer installiert“ unterschieden werden. Findet die Installation erst noch statt, ist auf die subjektive Intention der Person abzustellen, die den Gegenstand installiert.
Bei bereits installierten Gegenständen soll dagegen objektiv die tatsächliche Dauer der Installation entscheidend sein.

Weiterhin führt die EU-Kommission zu Punkt 3 aus: Ein Gebäude oder Bauwerk wird offensichtlich („obviously“) nicht verändert, wenn Gegenstände aufgehängt, angenagelt oder mit dem Boden verschraubt sind und ihre Entfernung nur Spuren hinterlässt, die leicht repariert oder verdeckt werden können.

2.2 „Zusammenhang mit einem Grundstück“

Nach Art. 31a Abs. 1 Buchst. b MwStDVO n. F. stehen Dienstleistungen in einem ausreichenden Zusammenhang mit einem Grundstück, wenn sie für das Grundstück selbst erbracht werden oder auf das Grundstück selbst gerichtet sind und ihr Zweck in rechtlichen oder physischen Veränderungen an dem Grundstück besteht.

Die EU-Kommission definiert „rechtliche Veränderung“ als jegliche Veränderung der Rechtssituation des Grundstücks („any modification of the legal situation“). Diese Aussage wird nicht weiter erläutert. Sie eröffnet damit einen sehr weiten Argumentationsspielraum.

Ähnlich großzügig interpretiert die EU-Kommission „physische Veränderungen“. Auch hier soll jegliche physische Veränderung ausreichen („any kind of physical modification“). Der Begriff soll sogar Dienstleistungen umfassen, die darauf abzielen, physische Veränderungen zu verhindern. Als weitere Dienstleistungen, die physische Veränderungen herbeiführen, nennt die EU-Kommission die Ausbesserung und Reinigung von Straßen, Tunneln, Brücken und Gebäuden.

2.3 Arbeitnehmerüberlassung

Arbeitnehmerüberlassungen stehen nach Ansicht der EU Kommission nur dann in einem ausreichenden Zusammenhang mit einem Grundstück, wenn der überlassende Arbeitgeber auch die Verantwortung für die Arbeiten übernimmt, welche die überlassenen Arbeitnehmer ausführen („take responsibility for the performance and results of the construction works“). Diese Ausführungen sind besonders hilfreich, denn weder die deutsche Finanzverwaltung noch die Rechtsprechung haben sich bisher mit dieser Thematik auseinandergesetzt.

2.4 Standüberlassung für Messen und Ausstellungen

Eine interessante Passage befindet sich fast am Ende des Leitfadens. Hier äußert sich die EU-Kommission zu der Frage: Wann stellt die Überlassung einer Standfläche auf Messen und Ausstellungen keine grundstücksbezogene Dienstleistung mehr dar? Laut EU-Kommission genügt es, wenn der Überlassende an den Aussteller mindestens eine weitere Dienstleistung erbringt. Damit ist die EU Kommission weniger streng als die deutsche Finanzverwaltung. Diese fordert mindestens drei weitere Dienstleistungen (Abschn. 3a.4 Abs. 2 S. 5 UStAE).

2.5 Rechtsberatungsleistungen

Viele Kollegen dürften sich mit Folgendem schwertun: Nach Art. 31a Abs. 2 Buchst. q MwStDVO n. F. sind juristische Dienstleistungen im Zusammenhang mit Grundstücksübertragungen grundstücksbezogene Leistungen.

Hierzu zählt auch die Begründung oder Übertragung von dinglichen und bestimmten anderen Rechten an Grundstücken. Liegt das Grundstück im Ausland, kann das dazu führen, dass sich der Berater dort ggf. für Umsatzsteuerzwecke registrieren muss. Art. 31a Abs. 3 Buchst. h MwStDVO n. F. legt fest, wann Beratungsleistungen nicht grundstücksbezogen sind. Die Leitlinie enthält ausführliche Erläuterungen zur Abgrenzung beider Vorschriften.

3. Auswirkung für die Praxis

Zunächst ist festzuhalten, dass Leitfäden der EU Kommission keine Bindungswirkung haben, weder gegenüber der Finanzverwaltung noch gegenüber den Finanzgerichten. Dennoch können diese Leitfäden in der täglichen Praxis hilfreich sein. Sie fungieren faktisch als Kommentar der EU-Kommission zur Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie.

Wenn Sie sich im laufenden Tagesgeschäft auf die Leitfäden berufen, sollten Sie dies gegenüber Ihrem Finanzamt unbedingt offenlegen. Dabei sollten Sie sich bewusst sein: Das BMF hat ausdrücklich klargestellt, dass Leitlinien der EU-Kommission für die Rechtsanwendung der Finanzverwaltung nicht maßgeblich sind (BMF, Schr. v. 17.12.2014, BStBl I 2015, 43). Das Gleiche gilt übrigens auch für die Leitlinien des MwSt-Ausschusses (BMF, Schr. v. 03.01.2014, BStBl I 2014, 67).

Existieren indes keine abweichenden Aussagen der deutschen Finanzverwaltung, wie etwa beim Thema Arbeitnehmerüberlassung, können die Leitlinien durchaus für die Rechtsanwendung herangezogen werden. Dies gilt insbesondere auch in finanzgerichtlichen Verfahren.

Matthias Luther 

Ansprechpartner:

Matthias Luther, L.L.M. Tax
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 0211 / 540953 - 95
matthias.luther@kmlz.de

Stand: 16.12.2015