Umsatzsteuer Newsletter 02/2016
Reform der Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand
Das Steueränderungsgesetz 2015 hat § 2 Abs. 3 UStG aufgehoben und § 2b UStG eingeführt. Hierdurch gleicht der Gesetzgeber die Gesetzeslage für die Besteuerung von jPöR an die Rechtsprechung des BFH an und hebt den Bezug zum KStG auf. Eine Sonderregelung enthält die Neufassung für die bisherigen Beistandsleistungen. Bei Umsätzen unter EUR 30.678 und im Rahmen der Vermögensverwaltung handelt die jPöR künftig als Unternehmer. Ein Anwendungsschreiben des BMF zu § 2b UStG ist im Laufe des Jahres 2016 zu erwarten.

1. Gesetzliche Neuregelung
Eine juristische Person des öffentlichen Rechts (= jPöR) ist trotz einer wirtschaftlichen Tätigkeit gem. § 2b Abs. 1 UStG nicht als Unternehmer tätig, wenn sie öffentliche Gewalt ausübt und ihre Behandlung als Nichtunternehmer nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt. Wenn diese beiden Voraussetzungen vorliegen, ist eine jPöR nicht als Unternehmer tätig und ihre Leistungen sind nicht umsatzsteuerbar. § 2b Abs. 2 und Abs. 3 UStG nennen beispielhaft Fälle, in denen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen bestehen.

2. Tatbestandsmerkmal öffentliche Gewalt
Nach der weiterhin anzuwendenden bisherigen Rechtsprechung übt eine jPöR keine öffentliche Gewalt aus, soweit sie auf privatrechtlicher Grundlage (z. B. zivilrechtlicher Vertrag) tätig ist. Ist eine jPöR jedoch auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig, übt sie öffentliche Gewalt aus. Öffentlich-rechtliche Handlungsgrundlagen sind z. B. Verwaltungsakte, öffentlich-rechtliche Verträge oder Satzungen. Das bedeutet: Sobald eine jPöR auf privatrechtlicher Grundlage Leistungen erbringt, ist sie als Unternehmer tätig. Nur wenn die jPöR auf öffentlich-rechtlicher Grundlage leistet, kann die Ausnahmeregelung des § 2b UStG anwendbar sein (sofern die jPöR nicht in größeren Wettbewerb zu privaten Dritten tritt). Der Handlungsgrundlage der Tätigkeit einer jPöR kommt daher nach der Neuregelung entscheidende Bedeutung zu. Ob die jPöR im Rahmen eines BgA handelt, ist nicht mehr relevant. Die Anknüpfung an das Körperschaftsteuerrecht ist passé.

3. Keine größeren Wettbewerbsverzerrungen
Generell liegt kein größerer Wettbewerb zu privaten Wirtschaftsteilnehmern vor, wenn kein privater Wettbewerber Leistungen erbringen kann, die mit den Leistungen der jPöR vergleichbar wären. § 2b Abs. 2 UStG regelt, dass insbesondere dann kein Wettbewerb vorliegt, wenn die jPöR aus gleichartigen Tätigkeiten im Kalenderjahr weniger als EUR 17.500 Umsatz erzielt oder vergleichbare, auf privat-rechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht gem. § 9 UStG einer Steuerbefreiung unterliegen.

In § 2b Abs. 3 UStG versucht der Gesetzgeber, auch weiterhin den Leistungsaustausch zwischen zwei jPöR (z. B. interkommunale Zusammenarbeit oder Zusammenarbeit zweier kirchlicher Rechtsträger) von der Besteuerung auszunehmen. Denn bisher lag bei sog. Beistandsleistungen kein BgA vor. Die Leistungen wurden als nicht steuerbar behandelt. Auch zukünftig soll eine Ausnahme gelten, jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen: So besteht nach dem neuen Gesetz kein Wettbewerb, wenn Leistungen auf Grundlage einer langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung erbracht werden, sie dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen, sie ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und die leistende jPöR gleichartige Leistungen im Wesentlichen nur an andere jPöR erbringt. Wichtig ist aber: Diese Ausnahme kann nur greifen, wenn aufgrund der Handlungsgrundlage feststeht, dass die Zusammenarbeit zwischen beiden jPöR in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, also auf öffentlich-rechtlicher Grundlage stattfindet. 

4. Übergangsregelung
Gem. § 27 Abs. 22 UStG ist die Neuregelung auf alle Leistungen ab dem 01.01.2017 anzuwenden. Die jPöR kann allerdings bis zum 31.12.2016 gegenüber dem Finanzamt erklären, dass sie die Neuregelung erst für Leistungen ab dem 01.01.2021 anwenden möchte. Diese Erklärung gilt dann einheitlich für den gesamten unternehmerischen Bereich der jPöR. Die jPöR kann die Erklärung allerdings jeweils zu Beginn des folgenden Kalenderjahres widerrufen.

5. Praxisempfehlungen
Entscheidendes Kriterium für die Anwendung von § 2b UStG wird sein, ob eine jPöR öffentliche Gewalt ausübt. Die Beurteilung, ob ein Vertrag öffentlich-rechtlicher Natur ist, gestaltet sich oftmals schwierig und ist mit Rechtsunsicherheiten behaftet. Eine solche Situation sollte daher wenn möglich vermieden werden. So kann eine jPöR ihr Verhältnis zum Bürger z. B. durch eine Satzung definieren. Bei der inter-kommunalen Zusammenarbeit empfiehlt es sich, Zweckvereinbarungen nach dem jeweiligen Landesgesetz zur kom-munalen Zusammenarbeit abzuschließen. Diese sind schon der gesetzlichen Regelung nach öffentlich-rechtliche Verträge. Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sollten die jPöR versuchen, die Voraussetzungen von § 2b Abs. 2 oder 3 durch entsprechende Gestaltungen zu erfüllen. Im Jahr 2016 sollte jede jPöR sämtliche Ausgangsumsätze daraufhin überprüfen, ob sich deren umsatzsteuerrechtliche Behandlung auf Grundlage von § 2b UStG ändert. Wenn sich Nachteile für die jPöR erweisen, sollte die Erklärung gem. § 27 Abs. 22 UStG bis zum 31.12.2016 gegenüber dem Finanzamt abgegeben werden. Auch wenn keine derartigen Nachteile vorliegen, ist die Überprüfung nicht zwecklos. Unabhängig davon, welche Regelung eine jPöR ab 2017 anwendet, hat die Anwendung der aktuellen Gesetzeslage zu entsprechen. Um dies rechtssicher zu gewährleisten, muss die jPöR ihre Ausgangsleistungen überprüfen.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 27.01.2016