Umsatzsteuer Newsletter 03/2016
Feuerwerk des BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft
Nach Auffassung des BFH können Personengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen als Organgesellschaften qualifiziert werden. Dies war bisher nach nationalem Recht nicht möglich. Ansonsten bleibt vieles beim Alten. Der BFH wurde den Erwartungen nicht ganz gerecht. Schade ist, dass der Anwendungsbereich der Organschaft nicht weiter ausgedehnt wurde. Zudem hat er das Merkmal der organisatorischen Eingliederung nicht näher präzisiert.

1. Hintergrund der neuen Urteile des V. Senats
Auf Vorlage des XI. Senats hin hat der EuGH in der Rechtssache Larentia + Minerva (C-108/14, C-109/14) entschieden, dass das Unionsrecht den Mitgliedstaaten keinen Spielraum lässt, um Personengesellschaften von der Organschaft auszuschließen. Der Ausschluss könne allenfalls damit begründet werden, dass er der Vermeidung von Steuerhinterziehung dient (vgl. Art. 11 Abs. 2 MwStSystRL). Ob der Ausschluss einer Personengesellschaft diesem Ziel dient, sei aber vom nationalen Gericht zu prüfen. Ebenso hat der EuGH zum nationalen Erfordernis einer Eingliederung in Form eines Unterordnungsverhältnisses entschieden. Auch ein solches Erfordernis kann nur mit der Vermeidung von Steuermissbrauch begründet werden. Viele dachten, dass nun der XI. Senat als vorlegendes Gericht zu diesen Fragen Stellung nähme. Weit gefehlt. Es ist jetzt der V. Senat, der in vier Urteilen vom 02.12.2015 versucht, die Vorgaben des EuGH in nationales Recht umzusetzen. Die drei wichtigen Urteile werden hier vorgestellt.

2. Organschaft mit Personengesellschaften (V R 25/13)
Streitpunkt war hier, ob eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft auch mit einer Tochter-Personengesellschaft möglich ist. Nach nationalem Recht ist dies ausgeschlossen, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur juristische Personen als potenzielle Organgesellschaften anerkennt. Anders das Unionsrecht: Nach Art. 11 MwStSystRL können Personen, die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eng miteinander verbunden sind, eine Organschaft begründen.


Die Leistungen der O-GmbH an die KG unterlagen dann nicht der Besteuerung, wenn die O-GmbH und die KG als Organgesellschaften mit der AG als Organträgerin eine Organschaft bildeten. Entgegen bisheriger Rechtsprechung lässt der BFH nunmehr eine Organschaft auch mit Tochter-Personengesellschaften zu. Er kommt zu diesem Ergebnis im Wege der teleologischen Extension des Begriffs „juristische Person“. Voraussetzung dafür ist, dass Gesellschafter der Personengesellschaft nur der Organträger und andere vom Organträger finanziell beherrschte Gesellschaften sind. Der BFH weitet damit den Anwendungsbereich der Organschaft aus. Sofern die Personengesellschaft mit sämtlichen Gesellschaftsanteilen finanziell in einer bis zum Organträger reichenden Organkette eingegliedert ist, kann sie in die Organschaft eingebunden sein.

3. Keine Organschaft mit Schwestergesellschaft (V R 15/14)
Im zweiten Fall hatte der BFH zu klären, ob eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften möglich ist. Fraglich war, ob die GmbH mit der Schwestergesellschaft GmbH & Co. KG eine Organschaft bilden kann.

Der BFH hat – obgleich das Unionsrecht nur eine enge Verbundenheit vorschreibt – eine Änderung der Rechtsprechung abgelehnt. Er hält weiterhin daran fest, dass die Organschaft eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Tochtergesellschaft voraussetzt und dass zudem im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Personengesellschaft gegeben sein muss. Nur wenn Durchgriffsrechte bestehen, liegt eine Eingliederung vor. Die Organgesellschaft muss durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht werden. Nicht ausreichend soll sei, wenn lediglich eine vom Organträger abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft ausgeschlossen ist. Nicht ausreichend sind auch Weisungsrechte, Berichtspflichten oder Zustimmungsvorbehalte zugunsten der Gesellschafterversammlung.

4. Keine Organschaft mit Nichtunternehmern (V R 67/14)
Kernfrage des dritten Streitfalls war, ob eine Organschaft auch mit einem Nichtunternehmer gebildet werden kann.

 

Der BFH lehnt dies mit Hinweis auf Steuermissbrauch ab. Der nationale Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass der Organträger Unternehmer sein muss. Denn die Organschaft diene der Verwaltungsvereinfachung, sie solle keine Steuervergünstigungen zulassen. Die Bildung einer Organschaft auch ohne eigene Unternehmerstellung würde eine Umgehung des Abzugsverbots ermöglichen.

5. Praxishinweise
Die Finanzverwaltung wird zunächst die Entscheidung des XI. Senats abwarten. Im Anschluss ist mit einem klarstellenden BMF-Schreiben zu rechnen. Personengesellschaften werden dann bei Vorliegen der vom BFH aufgestellten Voraussetzungen als Organgesellschaften zu qualifizieren sein. Steuerpflichtige können sich ab sofort – auch mit Wirkung für die Vergangenheit – auf die neue Rechtsprechung berufen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber den Ball des BFH (Rz. 22 in V R 15/14) aufgreift und ein rechtsicheres Feststellungsverfahren einführt.
 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 29.01.2016