Umsatzsteuer Newsletter 06/2016
Zeitliche Grenze für Option zur Steuerpflicht bei der Lieferung von Grundstücken
Der BFH hat kürzlich entschieden, dass der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks nur in dem Vertrag, der dieser Grundstückslieferung zugrunde liegt und notariell beurkundet werden muss, zulässig ist. Ein späterer Verzicht auf die Steuerbefreiung ist hingegen unwirksam. Daran ändert auch die notarielle Beurkundung der Verzichtserklärung nichts. Das Urteil des BFH steht im Widerspruch zur derzeitigen Auffassung der Finanzverwaltung. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Verwaltung der Auffassung des BFH anschließt. Bis dahin sollte genau geprüft werden, ob eine Option zur Steuerpflicht erforderlich ist, und diese Option ggf. bereits in den notariellen Kaufvertrag aufgenommen werden.

1. Problemstellung
Die Vorschrift des § 4 Nr. 9a UStG befreit Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, von der Umsatzsteuer. Die Lieferung von Grundstücken fällt regelmäßig unter diese Steuerbefreiung. In Fällen, in denen der Erwerb des Grundstücks mit vorsteuerbehafteten Eingangsleistungen verbunden ist, kann die Steuerbefreiung der Grundstückslieferung jedoch für den betroffenen Unternehmer problematisch sein. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist gem. § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG die Steuer für solche Lieferungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Durch die Steuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks ist damit der Abzug von Vorsteuern aus dem Erwerb des Grundstücks nicht möglich. Die Steuerbefreiung  wird somit zum echten Kostenfaktor.

Um derartige für den Unternehmer ungünstige Konstellationen zu vermeiden, bietet § 9 UStG die Möglichkeit, auf bestimmte Steuerbefreiungen zu verzichten. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung von Grundstückslieferungen kann dabei nur in einem notariell beurkundeten Vertrag erklärt werden. Mit Urteil vom 21.10.2015 – XI R 40/13 (veröffentlicht am 23.12.2015) entschied der BFH über einen Fall, in dem der Verzicht auf die Steuerbefreiung nachträglich erklärt wurde und damit nicht im Rahmen des eigentlichen Grundstückskaufvertrags erfolgte.

2. Sachverhalt
Ein Unternehmer erwarb im Jahr 2003 ein Grundstück und verpachtete es umsatzsteuerpflichtig an seine Organgesellschaft. Die ihm bei Erwerb des Grundstücks in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zog er als Vorsteuer ab. Mit notariell beglaubigtem Kaufvertrag vom 22.10.2009 veräußerte er das Grundstück an einen Erwerber, der das Grundstück anschließend ebenfalls umsatzsteuerpflichtig an seine Organschaft vermietete. Auf die Steuerbefreiung dieses Umsatzes wurde im Kaufvertrag vom 22.10.2009 nicht verzichtet. Das Finanzamt änderte die Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 2009 und kürzte den Vorsteuerabzug. Während des Klageverfahrens vor dem Finanzgericht erfolgte am 12.04.2013 eine notariell beurkundete Neufassung des Kaufvertrags vom 22.10.2009, in der der Unternehmer ausdrücklich auf die Steuerbefreiung verzichtete. Das Finanzgericht gab der Klage statt, da nach seiner Ansicht § 9 UStG keine zeitliche Vorgabe enthält, in der die Option ausgeübt werden muss. Das Finanzamt legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Seiner Auffassung nach ist die Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr formell bestandskräftig, sodass entsprechend Abschn. 9.1 Abs. 3 S. 1 UStAE nicht mehr zur Umsatzsteuerpflicht optiert werden kann.

3. Entscheidung des BFH
Der BFH sah die Revision des Finanzamtes als begründet an. Nach Ansicht des BFH ist der Grundstücksverkauf steuerfrei, da der Veräußerer mangels Verzicht auf die Steuerbefreiung im notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag vom 22.10.2009 nicht den Anforderungen des § 9 Abs. 3 S. 2 UStG genügte. Entsprechend hat der Veräußerer nicht wirksam auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9a UStG verzichtet.
Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 9 Abs. 3 S. 2 UStG der Verzicht auf die Steuerbefreiung „nur in dem“ der Grundstückslieferung zugrunde liegenden, notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden kann. Daher ist eine Optionsausübung in einer dem eigentlichen Grundstückskaufvertrag nachfolgenden Vereinbarung nicht möglich.

4. Auswirkungen auf die Praxis
Der BFH legt die Optionsausübung nach § 9 Abs. 3 S. 2 UStG so aus, dass der Verzicht auf die Steuerbefreiung zwingend im notariellen Kaufvertrag erklärt werden muss. Eine spätere Verzichtsausübung sowie eine nachträgliche Neufassung des Kaufvertrags sind aus Sicht des BFH ausgeschlossen. Diese Ansicht des BFH steht im Widerspruch zur aktuellen Auffassung der Finanzverwaltung, wonach entsprechend Abschn. 9.1 Abs. 3 S. 1 UStAE sowohl die Erklärung zur Option nach § 9 UStG als auch der Widerruf dieser Option zwar nur bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig sind, jedoch nicht zwingend im notariellen Kaufvertrag erklärt werden müssen. Es stellt sich damit die Frage, wie die Finanzverwaltung mit diesem Urteil umgehen wird.

Da das Urteil bislang nicht im BStBl. veröffentlicht wurde, ist der Standpunkt der Finanzverwaltung zum aktuellen Zeitpunkt schwer einzuschätzen. Sie könnte sich zum einen der Auffassung des BFH anschließen oder aber auch durch einen Nichtanwendungserlass bei ihrer aktuellen Auffassung bleiben. Spannend ist außerdem, ob die Finanzverwaltung, sofern sie sich der Ansicht des BFH anschließt, das Urteil nur für die Zukunft anwendet oder womöglich auf alle aktuell offenen Fälle.

Mangels Veröffentlichung im BStBl. Teil II entfaltet das Urteil derzeit noch keine allgemeingültige Wirkung. Insofern bleibt es vorerst bei der derzeitigen Regelung in Abschn. 9.1 Abs. 3 S. 1 UStAE. In der Praxis empfiehlt es sich, jedenfalls darauf zu achten, dass die Optionsausübung immer im notariellen Kaufvertrag erklärt wird. Dadurch lassen sich Zweifelsfragen von vorneherein vermeiden. Zudem droht für den Fall der Versagung der nachträglich erklärten Option bei gleichzeitigem Umsatzsteuerausweis das Entstehen einer Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG, aus der dem Leis-tungsempfänger kein Vorsteuerabzug zukommt.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 11.02.2016