Umsatzsteuer Newsletter 09/2016
BMF beschränkt Vorsteuervergütung, um Steuerausfälle zu verhindern
Das BMF hat am 16.02.2016 ein Schreiben zum Vorsteuerabzug bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und Ausfuhrlieferungen erlassen, das für die Unternehmen Konfliktpotenzial bieten kann. Das BMF schließt die Vorsteuervergütung aus, wenn der Lieferer wegen Mängeln beim Buch- oder Belegnachweis mit Umsatzsteuer abrechnet, aber feststeht, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorlagen. Die Lieferer müssten bei Zweifeln immer noch mit Umsatzsteuer abrechnen. Die Abnehmer aber sollten Vorsicht walten lassen. Ihr Vorsteuerabzug ist in Gefahr. Das BMF möchte damit Steuerausfällen im Vorsteuervergütungsverfahren entgegenwirken. Für das Veranlagungsverfahren soll das Schreiben dem Vernehmen nach nicht anwendbar sein. Es ist zu hoffen, dass die Finanzämter dies auch so verstehen.

1. BMF-Schreiben / UStAE
Das BMF hat mit seinem Schreiben vom 16.02.2016 in Abschn. 18.11 UStAE folgenden kurzen, aber potenziell konfliktträchtigen Absatz 1a eingefügt:
„Nicht vergütet werden Vorsteuerbeträge, die in Rechnungen über Ausfuhrlieferungen oder innergemeinschaftliche Lieferungen gesondert ausgewiesen werden, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 bis 3a UStG bzw. § 6a Abs. 1 und 2 UStG vorliegen. In diesen Fällen handelt es sich für die Beurteilung des Vergütungsanspruchs im Vorsteuer-Vergütungsverfahren um eine unrichtig ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG, die vom Leistungsempfänger nicht als Vorsteuer abgezogen  (vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 und Satz 6 sowie Abschn. 15.2 Abs. 1 Sätze 1 und  2) und die demnach im Vorsteuer-Vergütungsverfahren nicht vergütet werden. Die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Lieferung des leistenden Unternehmers bleibt unberührt.“

2. Rechtliche Grundlagen
Das BMF wiederholt die vom BFH festgestellten und bereits in Abschn. 6a.2 UStAE übernommenen Grundsätze, dass der liefernde Unternehmer die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Ausfuhrlieferung oder innergemeinschaftlichen Lieferung nachweisen muss. Sofern der Unternehmer den beleg- und buchmäßigen Nachweis nicht, nicht vollständig oder nicht zeitnah führen kann, ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nicht erfüllt sind. Etwas anderes soll ausnahmsweise dann gelten, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 bis 3a UStG oder § 6a Abs. 1 und 2 UStG vorliegen. Bislang war nur noch nicht die Rede davon, dass es sich um einen unrichtigen Steuerausweis nach § 14c UStG handeln soll, wenn in diesen Fällen mit Umsatzsteuer abgerechnet wurde. Lediglich in Abschn. 6.12 UStAE fand sich ein – etwas unklarer – Hinweis darauf.Generell entspricht es aber Art. 4 Buchst. b der Richtlinie 2008/9/EU, zumindest die Vorsteuer aus Rechnungen über innergemeinschaftliche Lieferungen nicht im Vergütungsverfahren zu erstatten. Deutschland hatte diese Einschränkung nicht in nationales Recht umgesetzt. Daran wird mit dem BMF-Schreiben auch nicht gerüttelt. Das BMF versagt die Vorsteuervergütung über Art. 4 Buchst. a der Richtlinie 2008/9/EU, unter den fälschlich in Rechnung gestellte Umsatzsteuer entsprechend § 14c UStG fällt.

3. Hintergrund: Steuerausfälle
Im Vergütungsverfahren soll es Steuerausfälle gegeben haben, weil zunächst Vorsteuern aus Rechnungen über innergemeinschaftliche Lieferungen und Ausfuhrlieferungen erstattet worden waren, die Rechnungen aber später berichtigt wurden. Die Lieferer hatten zunächst wegen Nachweismängeln mit Umsatzsteuer abgerechnet. Wenn der Lieferer dies dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) bestätigte, wurden dem Abnehmer in der Regel die Vorsteuern vergütet. Später machten Lieferer die Berechnung der Umsatzsteuer rückgängig und ließen sich die Umsatzsteuer vom Finanzamt erstatten. Die ausländischen Abnehmer zahlten jedoch die Vorsteuer nicht an das BZSt zurück. Dieser Praxis will das BMF entgegenwirken.

4. Anwendung beschränkt auf Vergütungsverfahren
Das BMF-Schreiben soll dem Vernehmen nach nur auf das Vergütungsverfahren anwendbar sein, obwohl die darin genannten Grundsätze auf den ersten Blick auch auf das Veranlagungsverfahren übertragbar wären. Dies ergibt sich auch aus dem o. g. praktischen Hintergrund und lässt sich zudem aus der Überschrift des BMF-Schreibens und der Umsetzung in Abschn. 18.11 UStAE ableiten. Für das Veranlagungsverfahren soll sich nichts ändern. Es wäre nur wünschenswert gewesen, dass das BMF dies auch ausdrücklich so in seinem Schreiben formuliert hätte.

5. Praktische Aspekte
Grundsätzlich sollte nur der Lieferer gegenüber seinem Finanzamt den Nachweis antreten können, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung objektiv erfüllt sind. Sonst könnte z. B. das für den Abnehmer zuständige Finanzamt argumentieren, die Voraussetzungen seien objektiv erfüllt und der Vorsteuerabzug sei zu versagen, während die Steuerbefreiung beim Lieferer nicht anerkannt wird, weil dessen Finanzamt Zweifel hat. Dies wird zum einen nicht der deutschen Systematik gerecht, wonach der Lieferer einen Buch- und Belegnachweis erbringen muss. Zum anderen stünde die steuerliche Behandlung allein im Ermessen der Finanzverwaltung.
Im Vergütungsverfahren wird dies nun aber Realität. Sobald der Abnehmer mitteilt, dass die Lieferung ins Ausland erfolgte, wird das BZSt die Vorsteuern nicht vergüten. Der Lieferer müsste daraufhin seine Rechnungen berichtigen und steuerfrei abrechnen können. § 6 Abs. 4 sowie § 6a Abs. 3 UStG werden damit generell für Lieferungen an nicht in Deutschland registrierte Abnehmer ausgehebelt.
Es ist nur zu hoffen, dass am Ende nicht mit zweierlei Maß gemessen wird. Schließlich hat das BMF in seinem Schreiben festgelegt, dass die Behandlung der Lieferung beim Abnehmer unberührt bleibt. Das für den Lieferer zuständige Finanzamt könnte somit aufgrund formeller Mängel auf der Steuerpflicht beharren, auch wenn aus Sicht des BZSt ein Fall des § 14c UStG vorliegt, also Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen wurde. Dem hätte das BMF nur entgegenwirken können, indem es der Entscheidung des BZSt eine Art Bindungswirkung zugesprochen hätte, an die sich auch das für den Lieferer zuständige Finanzamt zu halten hat.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 23.03.2016