Umsatzsteuer Newsletter 20/2016
Holding und Organschaft – Teil II
Der BFH hat nun – im Nachgang zu der EuGH-Entscheidung in der Rs. Larentia + Minerva – mit Urteil vom 01.06.2016 (XI R 17/11) die zweite Entscheidung gefällt. Er hat festgestellt, dass einer Führungsholding der volle Vorsteuerabzug hinsichtlich der Vorsteuerbeträge zusteht, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft fällig wurden. Zudem hat er zum wiederholten Mal festgestellt, dass auch eine GmbH & Co. KG eine potenzielle Organgesellschaft darstellt. Erfreulich ist, dass der XI. Senat – abweichend vom V. Senat – die organisatorische Eingliederung auch ohne Durchgriffsrechte für möglich hält.

1. Hintergrund
Wir erinnern uns: Ausgangspunkt waren zwei Verfahren, die beim XI. Senat des BFH zur Entscheidung anstanden. Der BFH verband beide Verfahren und legte dem EuGH die Frage vor, ob eine Führungsholding zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sein kann. Schließlich stünden die Eingangsleistungen auch teilweise im Zusammenhang mit dem nicht steuerbaren Erwerb und Halten der Beteiligungen. Dem widersprach der EuGH mit Urteil vom 16.07.2015 (C-108/14, C-109/14, Larentia + Minerva). Er bestätigte, dass ein volles Vorsteuerabzugsrecht besteht, wenn die Holding in die Verwaltung der Tochtergesellschaft eingreift und hierdurch steuerpflichtige Umsätze erbringt. In der weiteren Vorlagefrage des BFH, ob eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein kann, entschied der EuGH, dass dies grundsätzlich möglich ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Deutschland bewusst Personengesellschaften als Organgesellschaften ausgeschlossen hat, um Steuerhinterziehung vorzubeugen. Der BFH hatte mit Urteil vom 19.01.2016 (XI R 38/12) das erste Verfahren abgeschlossen (vgl. Newsletter 8/2016). Nunmehr hat er mit Urteil vom 01.06.2016 (XI R 17/11) die zweite Entscheidung gefällt.

2. Sachverhalt
Eine Holding war an zwei GmbH & Co. KGs beteiligt. Die Kommanditeinlagen betrugen jeweils über 98 %. Die Holding erbrachte entgeltliche Dienstleistungen in Form von Beratungsleistungen an die beiden Tochtergesellschaften. Die Holding warb Kapital ein und verwandte einen Teil davon für den Erwerb der Tochtergesellschaften. In diesem Zusammenhang entstanden Aufwendungen, für die die Holding den Vorsteuerabzug beanspruchte.

Der BFH musste nun klären, ob der Holding der volle Vorsteuerabzug zusteht. Zudem war in einem zweiten Schritt zu klären, ob die Holding mit den beiden Tochtergesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KGs eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG bilden kann. Beide Fragen bejahte der BFH im Ergebnis. Erfreulich für die Praxis ist, dass der BFH Klarstellungen zugunsten der Unternehmen vorgenommen hat.

3. Voller Vorsteuerabzug bei Führungsholding
Die Holding gilt als Unternehmer, wenn sie an alle ihre Tochtergesellschaften Leistungen gegen Entgelt erbringt (= Führungsholding). Der BFH verneint den Ansatz der Finanzverwaltung, dass eine solche Holding auch einen nichtunternehmerischen Bereich habe. Der Vorsteuerabzug könne deshalb grundsätzlich nicht gekürzt werden. Einzige denkbare Ausnahme wäre eine missbräuchliche Praxis. Im konkreten Fall hat der BFH eine solche aber abgelehnt. So dürfe insbesondere nicht aus der Höhe des Entgelts für die Dienstleistung ein solcher Missbrauch abgeleitet werden. Diese Aussage ist für die Praxis wichtig: Wenn Dienstleistungen an Tochtergesellschaften gegen Entgelt erbracht werden, wird die Holding zum Unternehmer und ist zum Vorsteuerabzug berechtigt.

4. Organschaft auch mit GmbH & Co. KGs
Der BFH schließt sich der Rechtsprechung des V. Senats (vgl. Urt. v. 02.12.2015, V R 25/13) an und kommt zu dem Ergebnis, dass eine GmbH & Co. KG – obgleich der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur juristische Personen aufführt – eine potenzielle Organgesellschaft sein kann. Er begründet dies mit der richtlinienkonformen Auslegung des Begriffs „juristische Person“. Der V. Senat war strenger, denn er hatte gefordert, dass der Organträger 100 % der Anteile halten muss. Dies war hier aufgrund der Beteiligung von nur 98 % nicht der Fall. Gleichwohl hält es der XI. Senat für möglich, dass auch eine solche Beteiligungshöhe zu einer Eingliederung einer Personengesellschaft führen kann. Mehr musste und konnte der XI. Senat auch nicht entscheiden. Die erstinstanzlichen Feststellungen zur möglichen Eingliederung einer Personengesellschaft waren nicht ausreichend und müssen daher nachgeholt werden. Denn entscheidend ist, ob die GmbH & Co. KGs nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sind. 

Hoffnung geben vor allem die Sätze ganz am Ende des Urteils. Dort stellt der XI. Senat die zuletzt strenge Haltung des V. Senats bei dem Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten infrage. Er lässt damit ausdrücklich offen, ob eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Personengesellschaft gegeben sein muss (so aber BFH, Urt. v. 02.12.2015, V R 15/14). Diese Offenheit ist wesentlich, denn insbesondere in Konzernstrukturen lässt sich eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung nicht darstellen. Schön ist, dass der BFH in dem Urteil der Frage nachgeht, warum es überhaupt das Rechtsinstitut der Organschaft gibt: Es dient der Verwaltungsvereinfachung für Unternehmen.

5. Wie geht es weiter?
Bund und Länder beraten bereits seit einiger Zeit, wie mit den Urteilen umzugehen ist. Fest steht, dass eine gesetzliche Änderung der Organschaftsregelung nicht erforderlich ist (wenngleich ein Feststellungsverfahren mit Antragsrecht die vorzugswürdigste Lösung wäre). Das BMF wird daher dem Vernehmen nach ein BMF-Schreiben erlassen, wonach Personengesellschaften – zumindest bei 100 % Eingliederung – als Organgesellschaften fungieren können. Interessant wird die Übergangsregelung werden, insbesondere die Frage, ob und wer sich auf die neue Rechtsprechung berufen kann.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 25.07.2016