Umsatzsteuer Newsletter 23/2016
Zuordnung bewegter Lieferung im Reihengeschäft - Fortsetzung der geänderten BFH-Rechtsprechung
Der BFH hatte am 25.02.2015 zwei richtungsweisende Urteile zur warenbewegten Lieferung im Reihengeschäft veröffentlicht: XI R 30/13 und XI R 15/14 (siehe KMLZ Newsletter 12/2015). Darin hatte der BFH insbesondere festgestellt, dass Abschn. 3.14. Abs. 8 Satz 2 UStAE mit der Rechtsprechung des EuGH nicht in vollem Umfang vereinbar ist. Von der Transportveranlassung könne nicht auf die Verschaffung der Verfügungsmacht geschlossen werden und damit auch nicht auf die Zuordnung der bewegten Lieferung. Im Urteil XI R 30/13 hatte der BFH den Fall an das FG zurückverwiesen, da Feststellungen zum Sachverhalt fehlten. Diese hat das FG Rheinland-Pfalz nun mit Urteil vom 31.05.2016 (3 K 1364/15) nachgeholt. Das Ergebnis ist wenig überraschend. Das FG folgt den Vorgaben des BFH. Einige der vom FG angeführten Indizien jedoch verblüffen.

1. BFH-Urteil XI R 30/13
Nach dem Tenor des BFH-Urteils XI R 30/13 ist die bewegte Lieferung der ersten Lieferung (A an B) zuzuordnen, selbst wenn der letzte Abnehmer (C) den Transport veranlasst, es sei denn, der erste Abnehmer (B) hat dem letzten Abnehmer (C) die Verfügungsmacht bereits im Inland übertragen. Allerdings fehlte laut BFH für die vorzunehmende Zuordnung die Feststellung aller besonderen Umstände des Einzelfalls. Daher hatte der BFH den Fall an das FG zurückverwiesen. Es seien im zweiten Rechtsgang Feststellungen dazu nachzuholen, wann B die Verfügungsmacht an den Liefergegenständen auf C übertragen hat.

2. Folgeurteil des FG Rheinland-Pfalz
Das FG Rheinland-Pfalz kam offenbar im weiteren Verfahrenslauf zu keinen neuen Erkenntnissen, die auf eine Verschaffung der Verfügungsmacht von B auf C im Inland hingewiesen hätten. Deshalb ist das FG dem vom BFH vorgegebenen Weg gefolgt und hat die bewegte Lieferung wieder der ersten Lieferung (A an B) zugeordnet. Im Ergebnis überrascht das FG-Urteil daher nicht.
Die in der Begründung genannten vier Indizien sind jedoch interessant, teilweise sogar recht erstaunlich. Dabei bemüht das FG noch nicht einmal den vom BFH aufgestellten Grundsatz, dass die bewegte Lieferung bei Zweifeln stets der ersten Lieferung zuzuordnen sei. Das FG stellt basierend auf Indizien fest, dass der erste Abnehmer (B) dem letzten Abnehmer (C) die Verfügungsmacht nicht im Inland verschafft habe und deshalb A die bewegte Lieferung an B ausgeführt habe. Folgende Indizien sah das FG:

a) B hat an C mit britischer Umsatzsteuer abgerechnet, (während A gegenüber B eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung in Rechnung gestellt hat). Das FG erkennt zwar an, dass die Beurteilung nicht anhand subjektiver Absichtsbekundungen erfolgen kann. Die Interessenlage der Beteiligten, die konkreten vertraglichen Vereinbarungen sowie deren tatsächliche Durchführung stünden jedoch der Besteuerung der Lieferung von A an B im Inland entgegen.

b) A hatte keine Kenntnis vom Weiterverkauf des B an C. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass B den A mit der Übertragung der Verfügungsmacht auf C beauftragt hat oder A sonst dem C die Verfügungsmacht verschaffen wollte. Besonders bemerkenswert dabei: Das FG sah für A noch nicht einmal eine Veranlassung, sich von B bestätigen lassen zu müssen, dass B die Verfügungsmacht nicht bereits im Inland auf einen Dritten überträgt. Diese Schlussfolgerung des FG basiert aber wohl auf der Aussage des Geschäftsführers des A, wonach er von B informiert worden sei, dass der Spediteur des B die Liefergegenstände abholen werde. Überraschend ist auch hier, dass das FG zunächst den Grundsatz des BFH wiederholt, wonach nicht auf die subjektive Kenntnis des A abzustellen sei, sondern die objektiven Umstände maßgeblich sein sollten, dann aber doch die subjektive Kenntnis des A als entscheidungserheblich erachtet.

c) C hat die Liefergegenstände nicht persönlich abgeholt. Nur die persönliche Abholung hätte Indiz dafür sein können, dass C die Verfügungsmacht im Inland verschafft wurde.

d) Ausschlaggebend sei, dass in den Rechnungen des B ein Eigentumsvorbehalt vereinbart wurde. Eine Verschaffung der Verfügungsmacht komme aufgrund dieses Eigentumsvorbehalts daher erst dann in Betracht, wenn der Rechnungsbetrag von C an B bezahlt worden sei. Dieses Indiz verblüfft, da derartige zivilrechtliche Besonderheiten eigentlich keinen Einfluss auf die Verschaffung der Verfügungsmacht haben dürfen.

Das FG hat erneut die Revision zugelassen und es wurde – nicht unvermutet – vom Finanzamt Revision gegen das Urteil eingelegt (Az. XI R 17/16). Man darf deshalb gespannt sein, ob der BFH die Feststellungen des FG bestätigt.

3. Ausblick
Dem Vernehmen nach beabsichtigt das BMF, die bisherige Regelung im UStAE mit nur wenigen Änderungen in das UStG aufzunehmen. Die Transportveranlassung soll weiterhin bestimmendes, kategorisches Merkmal für die Verschaffung der Verfügungsmacht bleiben. Die von Teilen der Wirtschaft favorisierte Lösung, bei der es allein auf die vom mittleren Unternehmer verwendete USt-IdNr. ankommen soll und die Transportveranlassung irrelevant wäre, scheint sich nicht durchsetzen zu können. Für die Finanzverwaltung soll die verwendete USt-IdNr. nur dann ein maßgebliches Kriterium sein, wenn ein mittlerer Unternehmer den Transport veranlasst.

Allerdings ist kurz- und mittelfristig wohl mit keiner Gesetzesänderung zu rechnen. Deshalb denkt die Finanzverwaltung offenbar darüber nach, für die Übergangszeit mit einem klarstellenden BMF-Schreiben so weit wie möglich an der bisherigen Handhabe festzuhalten und die neue BFH-Rechtsprechung einzuarbeiten. Das Schreiben dürfte noch in 2016 zu erwarten sein. Das abermalige Revisionsverfahren wird das BMF vermutlich nicht abwarten wollen.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 16.08.2016