Umsatzsteuer Newsletter 24/2016
Update zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft
Der BFH hat jüngst seine Rechtsprechung zur umsatzsteuerrechtlichen Organschaft geändert und entschieden, dass Personengesellschaften Organgesellschaft sein können. Die Referatsleiter Umsatzsteuer haben die Urteile erörtert. Die Ergebnisse wurden nunmehr von der OFD Frankfurt/Main veröffentlicht. Grds. sind danach die Entscheidungen vorerst nicht allgemein anwendbar. Die Finanzverwaltung erkennt nur eine GmbH & Co. KG, die durch eine Person vollständig beherrscht wird, bereits jetzt als Organgesellschaft an.

1. Rückblick: Die geänderte Rechtsprechung des BFH
Nach dem Wortlaut von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG können Personengesellschaften nicht Organgesellschaft sein. Der EuGH hat dies im Grundsatz für europarechtswidrig erklärt (Rechtssache C 108/14, Larentia + Minerva). Im Hinblick darauf hat zunächst der V. Senat des BFH (V R 25/13) seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich geändert. Er hat entschieden, dass auch Personengesellschaften Organgesellschaft sein können. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind.

Ähnlich, aber nicht identisch entschied anschließend der XI. Senat des BFH zu dieser Fragestellung (XI R 38/12). Die Klägerin, eine AG, war als Kommanditistin zu mehr als 99 % an einer GmbH & Co. KG beteiligt. Es gab neben der AG aber weitere Minderheitskommanditisten. Der XI. Senat geht davon aus, dass jedenfalls Personengesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG Organgesellschaft sein können. DerXI. Senat sah dabei im Vergleich zum Urteil des V. Senats lediglich eine Abweichung in der Begründung, nicht aber im Ergebnis. Diese Auffassung hat der XI. Senat in einem am 01.06.2016 ergangenen Urteil insoweit wortlautgleich bestätigt (XI R 17/11).

Für die (Beratungs-)Praxis ergeben sich aus diesen Urteilen verschiedene Fragestellungen, z. B.:

• Kann eine GmbH & Co. KG, deren Kommanditistin Anteile im Umfang von z. B. 80 % hält, Organgesellschaft sein? Nach der Rechtsprechung des V. Senats wäre dies nicht möglich, nach derjenigen des XI. Senats hingegen schon.

• Kann eine OHG, bestehend aus einer GmbH und einer natürlichen Person, die Alleingesellschafter der GmbH ist, Organgesellschaft sein? Nach der Rechtsprechung des V. Senats ist dies möglich. Der XI. Senat hat dies inzident offengelassen.

• Kann der Organkreis sich insgesamt für zurückliegende Zeiträume auf die neue Rechtsprechung berufen?

• Ist es verfahrensrechtlich möglich, dass sich rückwirkend nur eine Gesellschaft auf die neue Rechtsprechung beruft (ggf. bei bestandskräftiger Veranlagung der anderen beteiligten Gesellschaft)?

• Wendet die Finanzverwaltung die neuen Urteile von sich aus rückwirkend an (wenn es zu finanziellen Auswirkungen kommt)? Ist insoweit zwischen verschiedenen Verfahrensstadien (keine USt-Jahreserklärung, Vorbehalt der Nachprüfung, bestandskräftige Festsetzung) zu differenzieren?

2. Die Verfügung der OFD Frankfurt/Main
Einige der verfahrensrechtlichen Fragestellungen beantwortet die Rundverfügung der OFD Frankfurt/Main vom 24.05.2016 (S 7105 A – 22 – St 110), indem sie die Ergebnisse der Sitzung der Referatsleiter Umsatzsteuer (Bund und Länder) veröffentlicht:

• Die Konsequenzen der genannten Urteile sollen durch die Arbeitsgruppe zur Reform der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft geprüft werden. Die Regelung der OFD ist daher vorläufiger Natur.

• Die BFH-Urteile sind zunächst grundsätzlich nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden.

• Organträger und Organgesellschaft können sich gemeinschaftlich auf die neue Rechtsprechung berufen, wenn nach Auffassung beider BFH-Senate eine Organschaft vorliegt. Dazu müssen ein Unternehmer oder in diesen finanziell eingegliederte Personen sämtliche Anteile einer GmbH & Co. KG halten. Außerdem müssen finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung im Moment der Berufung noch vorliegen. Vertrauensschutz nach § 176 AO wird (wohl: in diesem Fall) nicht gewährt (ohne Begründung).

3. Bedeutung für die Praxis
Positiv ist, dass erstmals eine innerhalb der Finanzverwaltungen von Bund und Ländern abgestimmte Verwaltungsauffassung veröffentlicht wurde. Die Finanzämter haben damit eine Grundlage, um eindeutige Fälle gemäß der neuen Rechtsprechung des BFH entscheiden zu können. Für Steuerpflichtige können sich hieraus Vorteile ergeben. So lässt sich z. B. in Insolvenzfällen oder bei der Versagung des Vorsteuerabzugs aus konzerninternen Rechnungen ggf. ein neuer Argumentationsstrang entwickeln. Solange die Finanzverwaltung die Urteile nicht allgemein anwendet, ergeben sich keine Nachteile.

Andererseits bleiben vor allem materiellrechtliche Fragen unbeantwortet. Dies war nicht anders zu erwarten. Auslöser der Unsicherheit sind die divergierenden Ansätze der beiden Umsatzsteuersenate des BFH. Hierdurch ergeben sich erst die materiellrechtlichen Fragen. Diese kann und wird die Finanzverwaltung nicht abschließend beantworten. Dem Vernehmen nach ist noch vor dem Jahreswechsel mit einem BMF-Schreiben zu rechnen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist unseres Erachtens die pauschale Versagung von Vertrauensschutz nach § 176 AO nicht korrekt. Soweit nur eine der beiden an einer potenziellen Organschaft beteiligten Gesellschaften bereits bestandskräftig veranlagt ist, ergeben sich daher Gestaltungspotenziale. Möglicherweise ist nur bei einer der Gesellschaften die Steuerfestsetzung zu ändern.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 24.08.2016