Umsatzsteuer Newsletter 02/2017
Neue Vordruckmuster mit qualifiziertem Freitextfeld – Chancen, Risiken und Handlungsbedarf
Das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens zielt auf die Verstärkung der ausschließlich maschinellen Veranlagung ab. Durch die Einführung eines neuen „qualifizierten Freitextfeldes“ soll der Steuerpflichtige auch in Zukunft eine personelle Veranlagung herbeiführen können. Dies soll steuerstrafrechtliche Risiken minimieren. Umgekehrt können unterlassene Angaben in diesem Feld ein solches Risiko auch erst begründen. Daher sollte in Zukunft besonderer Augenmerk auf die ordnungsgemäße Bearbeitung des Freitextfeldes gelegt werden.

1.    Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
Durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18.07.2016 möchte der Gesetzgeber erreichen, dass geeignete Steuererklärungen ausschließlich automationsgestützt bearbeitet werden. Nur so lässt sich nach Ansicht des Gesetzgebers mittelfristig verhindern, dass die Finanzverwaltung ihre gesetzlichen Aufgaben nicht mehr in der verfassungsrechtlich gebotenen Art und Weise erfüllen kann. Daher will man die maschinelle Bearbeitung von hierzu geeigneten Steuererklärungen mithilfe von Risikomanagementsystemen verstärken, um eine Konzentration der personellen Ressourcen auf die wirklich prüfungsbedürftigen Fälle zu ermöglichen. Steuerfestsetzungen sollen demnach ausschließlich automationsgestützt durchgeführt werden, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten (§ 155 Abs. 4 AO – neu –).  Ein Anlass für eine Bearbeitung des Einzelfalls durch Amtsträger besteht z. B. dann, wenn der Steuerpflichtige in hierfür vorzusehenden Abschnitten oder Datenfeldern Angaben macht. Ein solches Feld ist das neue „qualifizierte Freitextfeld“ nach § 150 Abs. 7 AO – neu –.

Der Steuerpflichtige kann in diesem Feld beispielsweise
•    um eine nähere Prüfung bestimmter Sachverhalts- oder Rechtsfragen bitten,
•    erklären, dass er in seiner Steuererklärung von der Verwaltungsauffassung abgewichen ist, oder
•    einen Antrag auf eine Ermessensentscheidung stellen, die Auswirkung auf die Steuerfestsetzung hat.
Diese Angaben sind in den neuen Vordruckmustern des BMF für die Umsatzsteuervoranmeldung (USt 1 A) in Zeile 75 (Kz. 23) bzw. für die Anmeldung der Sondervorauszahlung (USt 1 H) in Zeile 31 (Kz. 23) einzutragen. Die ergänzenden Angaben sind darüber hinaus in jedem Fall in einer gesonderten Anlage zu machen, welche vom Unternehmer zu erstellen und mit der Überschrift „Ergänzende Angaben zur Steueranmeldung“ zu kennzeichnen ist. Wenn der Steueranmeldung dagegen lediglich ergänzende Aufstellungen oder Belege beigefügt werden sollen, sind keine Eintragungen in Zeile 75, sondern in Zeile 15 vorzunehmen. Eine Eintragung im qualifizierten Freitextfeld hat die zwingende, gesetzlich vorgegebene personelle Bearbeitung des Steuerfalles zur Folge. Eine vollmaschinelle Verarbeitung der Steuererklärung unterbleibt so.

2.    Steuerstrafrechtliche Auswirkungen für die Praxis
Ob und inwieweit es strafrechtlich relevant ist, wenn der Steuerpflichtige eine abweichende Rechtsauffassung vertritt, ist umstritten. Grundsätzlich ist der Steuerpflichtige nach dem Gesetz nur zur Mitteilung vollständiger und richtiger Tatsachen verpflichtet.

Man wird jedoch davon ausgehen müssen, dass den Steuerpflichtigen zumindest dann eine Offenbarungspflicht trifft, wenn er von der Rechtsprechung, den Richtlinien der Finanzverwaltung oder der regelmäßigen Verwaltungspraxis abweicht. Dementsprechend dürfte für den Steuerpflichtigen dann keine Mitteilungspflicht bestehen, wenn er zwar von der Auffassung der Finanzverwaltung abweicht, seine Rechtsauffassung jedoch mit der Rechtsprechung des BFH übereinstimmt. Ebenso dann, wenn die konkrete Fallgestaltung nicht in den Richtlinien der Finanzverwaltung geregelt ist. Sofern die Richtlinien jedoch Regelungen für eine ganz konkrete Fallgestaltung enthalten und der Steuerpflichtige hiervon abweicht, muss er dies dem Finanzamt gegenüber offenlegen, um den Vorwurf der Steuerhinterziehung zu vermeiden.

Sollte also ein Steuerpflichtiger die neue Kz. 23 (inkl. der Anlage „Ergänzende Angaben zur Steueranmeldung“) – obwohl notwendig – bewusst nicht ausfüllen, so könnte er sich damit dem Vorwurf einer Steuerstraftat aussetzen. Dies ist allerdings auch bisher schon der Fall. Es gab lediglich keine Kennziffer in den Formularen. Der Steuerpflichtige musste daher bislang in diesen Fällen ein Begleitschreiben zur Erklärung verfassen. Unterließ er eine solche Erläuterung und wurden durch dieses Verhalten Steuern verkürzt, erfüllte er auch in der Vergangenheit den Tatbestand der Steuerhinterziehung.

Allerdings ist anzunehmen, dass die Finanzverwaltung das Nichtangeben einer abweichenden Rechtsauffassung – obwohl diese in dem neuen Freitextfeld ausdrücklich abgefragt wird – heranziehen wird, um von einem zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich einer hierdurch begangenen Steuerhinterziehung ausgehen zu können. Demgegenüber bietet das neue Freitextfeld auch die Möglichkeit, durch die bewusste Angabe bestimmter Sachverhalte und die Herbeiführung der personellen statt maschinellen Veranlagung – ggf. rein vorsorglich – das Risiko u. U. entstehender strafrechtlicher Vorwürfe zu minimieren. Es sollte also in Zukunft besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, ob in diesem Feld Angaben zu machen sind.

3.    Anpassungen in Compliance-Prozessen
Im Bereich Tax Compliance ist es ratsam, in den Deklarationsprozess einen Arbeitsschritt aufzunehmen, in dessen Rahmen geprüft wird, ob Eintragungen in das neue Feld vorgenommen werden sollten. Immer dann, wenn die Richt-inien der Finanzverwaltung konkrete Regelungen hinsichtlich bestimmter Sachverhalte enthalten, von denen der Steuerpflichtige in der Steuererklärung abweicht, ist dies in Kz. 23 bzw. der Anlage hierzu kenntlich zu machen. Die Prüfung, ob Eintragungen vorzunehmen sind, das Ergebnis der Prüfung und dessen Umsetzung in der Steuererklärung müssen insgesamt dokumentiert werden.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 13.01.2017