Umsatzsteuer Newsletter 03/2017
Konsignationslager: Direktlieferung trotz Zwischenlagerung
Bei einer Lieferung über ein Konsignationslager liegt eine Direktlieferung vor und bleibt die Zwischenlagerung unberücksichtigt, wenn der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung zum Lager feststeht. Dies hat der BFH in seinem gestern veröffentlichten Urteil (V R 31/15) entschieden. Er kommt damit zum gleichen Ergebnis wie die in den letzten beiden Jahren zu diesem Thema ergangenen FG-Urteile. Der BFH widerspricht insofern der undifferenzierten Auffassung der Finanzverwaltung. So mancher ausländische Lieferant wird dies begrüßen, da er sich dadurch ggf. eine Registrierung in Deutschland erspart. Allerdings ergeben sich auch praktische Schwierigkeiten, wie z. B. die zeitliche Differenz zwischen Beginn der Versendung und Rechnungsstellung oder die Wechselwirkungen zum Handels- und Ertragsteuerrecht. Konsignationslagerverträge und deren praktische Abwicklung gehören nun jedenfalls auf den Prüfstand.

1. Sachverhalt
Ein spanischer Lieferant verkaufte in Spanien produzierte Waren an einen deutschen Abnehmer. Die Lieferung der Waren wurde über ein in Deutschland gelegenes Call-off Stock abgewickelt. Der Abnehmer hatte jederzeit Zugang zu den gelagerten Waren. In Lieferverträgen wurden die zu liefernden Produkte, die Zahlungsmodalitäten, die Lieferbedingungen und die Preise geregelt. Die konkreten Liefermengen und -daten waren festgelegt in Lieferabrufplänen, die der Abnehmer täglich oder in Abständen von wenigen Tagen an den Lieferer übersandte. Nur diese Lieferabrufpläne waren juristisch bindend. Die Lieferabrufe enthielten stets Freigaben für die nächsten 12 Wochen im Voraus und bestimmten für diesen Zeitraum die Liefertermine.

2. Verbindliche Bestellungen maßgeblich
Der BFH bestätigt die Entscheidungen der verschiedenen Finanzgerichte aus den beiden Vorjahren: Die Lieferungen sind Direktlieferungen und das Konsignationslager bleibt unberücksichtigt, wenn der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung feststeht. Hierzu soll das der Lieferung zugrunde liegende Rechtsverhältnis maßgeblich sein. Der Abnehmer muss also aufgrund eines verbindlichen Rechtsgeschäftes feststehen. Eine „wahrscheinliche Begründung einer Abnehmerstellung“ würde zu Beurteilungsschwierigkeiten führen und sei nicht akzeptabel. Insofern ist das Urteil sehr strikt und in gewissem Maße einschränkend. Dies könnte aber auch dem konkreten Urteilsfall geschuldet sein.

3. Kurze Zwischenlagerung unschädlich
Der BFH stellt außerdem fest, dass eine kurze Zwischenlagerung unschädlich ist. Fraglich bleibt allerdings, ob dieser dem Tenor des Urteils entstammende Schluss so uneingeschränkt gilt. Zum einen nennt der BFH in seiner Begründung die speziellen Umstände des Sachverhalts: auf Initiative des Abnehmers eingerichtetes Lager, dem Abnehmer vertraglich eingeräumtes uneingeschränktes Zugriffsrecht, von vornherein nur vorübergehende Einlagerung auf kurze Zeit. Diese Umstände könnten maßgeblich sein und wären bei Gestaltungen zu beachten. Es ist aber z. B. auch nicht klar, was der BFH unter einer Lagerung für kurze Zeit versteht. Bereits nach dem Urteil des FG Sachsen vom 24.05.2011 bezüglich einer gebrochenen Versendung mit Zwischenlagerung war gerätselt worden, bis zu welchem Zeitraum man noch davon ausgehen kann, dass nur kurzzeitige und damit unschädliche Zwischenstationen ohne nennenswerte Unterbrechungen vorliegen. Im Fall des FG Sachsen betrug die Lagerzeit zwischen 3 und 5 Tagen. In dem jetzt vom BFH entschiedenen Fall kann man aus dem Sachverhalt erahnen, dass es um einen deutlich längeren Zeitraum ging. Die in das Lager versandten Waren entsprachen mengenmäßig dem Bedarf des Abnehmers in den nächsten Tagen und Wochen. Die Lieferabrufe enthielten zudem Freigaben für die nächsten 12 Wochen. Damit müsste ein Zeitraum von mehreren Wochen noch als kurz gelten.

4. Beschränkung auf Call-off Stocks
Direktlieferungen können nur bei Lagerung in Call-off Stocks stattfinden. Diese grenzen sich dadurch von anderen Lagerarten ab, dass nur ein bestimmter Kunde Waren aus dem Lager entnehmen darf. Wenn unterschiedliche Kunden Waren entnehmen dürfen, steht der Abnehmer noch nicht fest. In diesem Fall würde ein innergemeinschaftliches Verbringen mit anschließender lokaler Lieferung vorliegen.

5. Deklarationszeitpunkt
Aus praktischer Sicht könnten sich Schwierigkeiten hinsichtlich der Deklarationen ergeben. Wenn sich der Lieferort nach dem Beginn der Versendung richtet, gilt dies auch für den Lieferzeitpunkt. Der Lieferer meldet seine innergemeinschaftliche Lieferung dann sofort bei Beginn des Versands zum Lager. Die Entnahme und damit die Rechnungsstellung erfolgt aber ggf. mehrere Monate später. Die Erwerbsteuer ist vom Erwerber jedoch spätestens in dem dem Erwerb folgenden Monat zu melden.
 
6. Widerspruch zur Verwaltung und Vertrauensschutz
Die im Hinblick auf Abnehmer und Zwischenlagerung undifferenzierte Sichtweise der Finanzverwaltung im UStAE und in der Verfügung der OFD Frankfurt a.M. vom 15.12.2015 kann nicht bestehen bleiben. Diese Auffassung muss angepasst werden. Für deutsche Abnehmer, die in der Vergangenheit einen nunmehr ggf. fraglichen Vorsteuerabzug geltend gemacht haben, sollte sich insofern kein Risiko ergeben. Nach den Feststellungen des BFH steht der UStAE nicht mit dem geltenden Recht in Einklang. Der BFH nennt bereits ausdrücklich Abschn. 1a.2 Abs. 6 Satz 1 UStAE in Bezug auf das innergemeinschaftliche Verbringen. Gleiches gilt für Abschn. 3.12 Abs. 3 Satz 7 UStAE zur Bestimmung des Lieferorts. Die Abnehmer dürften somit Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO genießen. Möglicherweise wird die Verwaltung aber ohnehin eine Nichtbeanstandung für die Vergangenheit mit Übergangsfrist festlegen.

7. Handelsrecht / Ertragsteuer
Meist beabsichtigt der Abnehmer mit Abschluß eines Konsignationslagervertrags, dass die stetige und fristgerechte Zulieferung von Teilen gesichert ist (just in time / just in sequence), das wirtschaftliche Risiko aber bis zur Lagerentnahme und damit so lange wie möglich beim Lieferanten verbleibt. Dies spiegelt sich dann z. B. in der Bilanzierung der Lagerware beim Lieferanten wieder. Diese Aspekte und deren Wechselwirkung auf die umsatzsteuerliche Behandlung müssen bei der Gestaltung oder Überarbeitung der Verträge berücksichtigt werden.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 19.01.2017