Umsatzsteuer Newsletter 33/2013
Später Sieg der Bauträger - BFH weist BMF in die Schranken
Der BFH hat mit Urt. v. 22.08.2013 entschieden, dass Bauträger für die von ihnen in Auftrag gegebenen Bauleistungen grundsätzlich nicht mehr Steuerschuldner nach § 13b UStG sind. Die Entscheidung des BFH ist aber nicht nur für Bauträger interessant. Der BFH weist die Finanzverwaltung in die Schranken, da er verschiedene Regelungen der Finanzverwaltung wegen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsicherheit verworfen hat. Dies hat auch Auswirkungen auf andere Bereiche, da die Vereinfachungsregeln im UStAE keine Sicherheit mehr bieten und die 10%-Grenze für die Wiederverkäufereigenschaft bei Strom- und Gaslieferungen in Frage steht.


1. BFH, Urt. v. 22.08.2013 (V R 37/10)

Ein Bauträger hatte einen Generalunternehmer mit der Erstellung eines Gebäudes beauftragt. Der Bauträger ging zunächst von einem Steuerschuldübergang aus und hat die Umsatzsteuer selbst nach § 13b UStG erklärt und abgeführt. In seiner USt-Jahreserklärung machte er dann geltend, dass er keine nachhaltigen Bauleistungen erbracht hätte und die Umsatzsteuer nicht schulde. Das Finanzamt widersprach dem Bauträger mit dem Hinweis, dass er sich mit dem Generalunternehmer über die Anwendung des § 13b UStG geeinigt habe.

Der BFH hatte das Verfahren zunächst ausgesetzt und dem EuGH die Frage vorgelegt, ob § 13b UStG mit dem Europarecht vereinbar sei. Der EuGH hat dies grundsätzlich bejaht (vgl. EuGH, Urt. v. 12.12.2012, C-395/11, BLV), jedoch darauf hingewiesen, dass die nationalen Gerichte bei der Anwendung des § 13b UStG den Grundsatz der Rechtssicherheit zu beachten hätten.

Der BFH hat diesen„Auftrag“ mit Genuss aufgenommen und folgende Verwaltungsanweisungen als mit dem Grundsatz der Rechtsicherheit unvereinbar erklärt:

  • Die sog. 10 %-Grenze bei der Bestimmung von „nachhaltigen Bauleistungen“ in Abschn. 13b.3 Abs. 1 und 2 UStAE ist ungeeignet, da der Auftragnehmer nicht zuverlässig beurteilen kann, ob er oder sein Auftraggeber Steuerschuldner ist. Die für den Auftraggeber relevante 10 %-Grenze könne von Auftragnehmern nicht zeitnah ermittelt werden.
  • Zu weitgehend stuft der BFH auch die Bestimmung in Abschn. 13b.3 Abs. 10 UStAE ein, wonach die Erbringung jedweder Bauleistungen durch den Auftraggeber ausreiche, ohne dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der empfangenen und der erbrachten Bauleistung bestehen müsse.
  • Der BFH verwirft darüber hinaus die sog. Vereinfachungsregelung in Abschn. 13b.8 UStAE. Nach dieser wird es nicht beanstandet, wenn beide Parteien einvernehmlich von der Anwendung der Umkehr der Steuerschuldnerschaft ausgehen, die Voraussetzungen aber nicht vorliegen. Der BFH weist darauf hin, dass eine solche Einigung zwischen den Vertragsparteien der gesetzlichen Regelung widerspreche, da diese Regelung den Übergang der Steuerschuldnerschaft nicht zur Dispo­sition der Beteiligten stelle.

2. Auswirkungen auf Bauträger

Das Urteil bedeutet einen späten Sieg für Bauträger. Zur Erinnerung: Bei Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens auf Bauleistungen ging die Finanzverwaltung zunächst davon aus, dass Bauträger nicht zu Steuerschuldnern nach § 13b UStG werden, da sie selbst keine Bauleistungen erbringen, sondern bebaute Grundstücke liefern. Das BMF änderte seine Auffassung mit Schreiben v. 16.10.2009 (BStBl. I 2009 S. 1298). „Klarstellend“ wies das BMF später mit Schreiben v. 11.03.2010 (BStBl. I 2010 S. 254) darauf hin, dass diese neue Auffassung in allen offenen Fällen für Umsätze gelten soll, die ab 01.01.2010 ausgeführt worden sind (vgl. dazu heute Abschn. 13b.3 Abs. 8 S. 3 ff. UStAE).

Danach galt:

  • Beim Weiterverkauf von bereits beim Ankauf vollständig fertig gestellten oder sanierten Wohngebäuden war von Lieferungen auszugehen. Der Bauträger hat keine Werklieferungen und somit keine Bauleistungen im Sinne von § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG erbracht. Der Bauträger wurde in diesen Fällen damit nicht zum Schuldner der Steuer für die Bauumsätze seiner Subunternehmer.
  • Wenn der Unternehmer hingegen Grundstücke während der Bauphase verkauft hat und der Kunde auf die Bauausführung noch Einfluss nehmen konnte, sah das BMF eine Werklieferung für gegeben an, bei der die Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG auf den Unternehmer überging.

Für Bauträger wurde diese geänderte Rechtsauffassung insbesondere dann zum Problem, wenn sie die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nicht erkannt hatten. Die Finanzverwaltung hatte in den meisten Fällen kein Erbarmen und verlangte die aufwendige Rückabwicklung. Diese Vorgehensweise entwickelte sich zum ernsthaften Problem, wenn die leistenden Bauunternehmer zwischenzeitlich insolvent waren oder aber für eine Rechnungskorrektur nicht mehr zur Verfügung standen. Die Bauträger mussten in diesen Fällen dann nicht nur die Zinsen nach § 233a AO zahlen, sondern waren doppelt mit der Umsatzsteuer belastet.

Aufgrund des nunmehr ergangenen Urteils des BFH können diese Altfälle erneut aufgerollt werden, sofern noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Für Bauträger kann dies äußerst lukrativ sein: Sie können mit Hinweis auf die geänderte Rechtsprechung die nach § 13b UStG abgeführte Umsatzsteuer von den Finanzbehörden zurückfordern. Darüber hinaus können sie mit erheblichen Erstattungszinsen rechnen.

3. Auswirkungen auf andere Bereiche wie Strom- und Gaslieferungen

Die Entscheidung des BFH hat auch Auswirkungen auf die gesamte Verwaltungspraxis in den Fällen des § 13b UStG. Denn Vereinbarungen der Parteien über die Anwendung des § 13b UStG entsprechend der Vereinfachungsregelungen bieten keine Sicherheit mehr. Ebenso wenig wird die 10 %-Grenze in Zukunft haltbar sein. Damit dürfte auch die sog. Wiederverkäufereigenschaft bei Strom- und Gaslieferungen, die das BMF ebenso an einer 10 %-Grenze festmachen will (Abschn. 13b.3a Abs. 2 i.V.m. Abschn. 3g.1 Abs. 2 und 3 UStAE), hinfällig sein.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
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Stand: 06.12.2013