Umsatzsteuer Newsletter 35/2013
Flächenschlüssel bei Vorsteueraufteilung unionsrechtskonform
Der Flächenschlüssel ist bei der Vorsteueraufteilung von gemischt genutzten Gebäuden mit dem Unionsrecht vereinbar. Das ist der Grundtenor einer Entscheidung des BFH. Viel interessanter sind aber die weiteren Ausführungen des BFH zu § 15 Abs. 4 S. 1 UStG. Er legt diese Norm zur Aufteilung der Vorsteuer richtlinienkonform dahingehend aus, dass die wirtschaftliche Zurechnung von Vorsteuern nur für solche Vorsteuerbeträge gelten soll, die der Berichtigung nach § 15a UStG unterliegen.


1. Der Ausgangsfall

Der Sachverhalt war eigentlich simpel: Die Klägerin errichtete in den Jahren 2003 und 2004 ein Wohn- und Geschäftshaus, das sie nach Fertigstellung teils steuerpflichtig, teils steuerfrei vermietete. Von den im Streitjahr angefallenen und den Gebäudeteilen nicht direkt zugerechneten Vorsteuern machte die Klägerin rund 54 % geltend. Diesen Prozentsatz ermittelte sie auf Grundlage der kalkulierten Umsätze aus der Vermietung von Wohnungen zu privaten Wohnzwecken und der Vermietung von Geschäftsräumen. Einen kleinen Teil der Vorsteuerbeträge ordnete sie sogar vorab einzelnen Gebäudeteilen zu. Anders sah dies das Finanzamt, das für 2004 nur einen Vorsteuerabzug nach dem Flächenschlüssel in Höhe von 34 % zulassen wollte. Denn seit 2004 hatte der deutsche Gesetzgeber mit der Neuregelung in § 15 Abs. 4 S. 3 UStG den Vorrang des Flächenschlüssels angeordnet.

Nach einer Vorlage an den EuGH hatte dieser mit Urteil vom 08.11.2012, C-511/10, BLC Baumarkt, entschieden, dass das Unionsrecht bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes die Festlegung auch eines anderen Aufteilungsschlüssels als des Umsatzschlüssels erlaubt. Voraussetzung sei aber, dass dieser andere Aufteilungsmaßstab „eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes gewährleistet“. Mit dieser Entscheidung erhielt der BFH mehr Steine als Brot, denn er musste nun entscheiden, in welchen Fällen der Flächenschlüssel den präziseren Schlüssel darstellt.

2. BFH, Urteil v. 22.08.2013 (V R 19/09)

Im Ergebnis hält der BFH den in § 15 Abs. 4 S. 3 UStG normierten Vorrang des Flächenschlüssels bei gemischt genutzten Gebäuden unionsrechtskonform. Die Vorschrift müsse aber richtlinienkonform ausgelegt werden. Interessant ist dabei das grundsätzliche Verständnis des BFH zur Vorsteueraufteilung. Denn in seiner Entscheidung setzt er sich zunächst mit § 15 Abs. 4 S. 1 UStG und erst im zweiten Teil mit § 15 Abs. 4 S. 3 UStG auseinander. Die Kernsätze dieser Entscheidung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Das Unionsrecht stellt bei der Vorsteueraufteilung grundsätzlich auf die Gesamtumstände des Unternehmens ab. Nur in ganz bestimmten Fällen ist eine Abweichung zulässig.
  • § 15 Abs. 4 S. 1 UStG entspricht nicht den Erfordernissen des Unionsrechts, da diese Vorschrift für alle (und nicht nur für bestimmte) Fälle der gemischten Verwendung eine wirtschaftliche Zurechnung vorsieht.
  • Denn wenn ein Unternehmer ein gemischt genutztes Gebäude errichtet, stellt das nationale Recht bei der Vorsteueraufteilung auf das jeweilige Gebäude (im Sinne einer wirtschaftlichen Zurechnung) ab und nicht auf die Gesamtumsätze des Unternehmens.
  • Der BFH löst diesen Konflikt nunmehr dadurch auf, dass sich § 15 Abs. 4 S. 1 UStG aufgrund teleologischer Reduktion nur auf Vorsteuerbeträge bezieht, die der Berichtigung nach § 15a UStG unterliegen.
  • Den Ausschluss des Umsatzschlüssels nach § 15 Abs. 4 S. 3 UStG hält der BFH für richtlinienkonform.
  • Da bei einem gemischt genutzten Gebäude als Einzelobjekt eine flächenbezogene Vorsteueraufteilung möglich ist, enthält § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nicht das (nach Unionsrecht unzulässige) Verbot einer auf die Gesamt­umsätze bezogenen Vorsteueraufteilung, sondern lediglich ein Verbot einer einzelobjektbezogenen Vorsteueraufteilung nach Umsätzen.
  • Schließlich weist der BFH darauf hin, dass die im Streitfall vorgenommene Vorabzuordnung von Vorsteuern nicht zulässig ist. Denn bei einer Gebäudeerrichtung sind alle Vorsteuerbeträge in die Vorsteueraufteilung einzubeziehen. Gegenstand der Vorsteueraufteilung ist das jeweilige Berichtigungsobjekt nach § 15a UStG.

3. Auswirkungen auf die Praxis

In Bezug auf die Anschaffung oder Herstellung von Gebäuden steht nunmehr fest, dass das nationale Recht im Hinblick auf die Anordnung des sog. Flächenschlüssels unionsrechtskonform ist. Dies bedeutet, dass Unternehmer kein Wahlrecht haben, die „sachgerechte Schätzung“ nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten selbst vorzunehmen. Sie sind vielmehr an den Flächenschlüssel gebunden. Andererseits ist aber auch die Finanzverwaltung angehalten, sich an diesen Schlüssel zu halten – auch wenn der Flächenschlüssel zu ihren Lasten geht. Die Finanzverwaltung wird den UStAE in Abschnitt 15.17 grundlegend überarbeiten müssen. Denn bislang werden bei der Vorsteueraufteilung im Sinne einer wirtschaftlichen Zurechnung drei Gruppen gebildet:

  • Vorsteuern, die in voller Höhe abziehbar sind, weil sie ausschließlich Umsätzen zuzurechnen sind, die zum Vorsteuerabzug berechtigen
  • Vorsteuerbeträge, die in voller Höhe vom Abzug ausgeschlossen sind, weil sie ausschließlich Umsätzen zuzurechnen sind, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen
  • Übrige Vorsteuerbeträge, die sowohl mit Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch mit Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen

Diese Herangehensweise im Sinne einer wirtschaftlichen Zurechnung ist nur noch zulässig für Vorsteuerbeträge, die der Berichtung nach § 15a UStG unterliegen. Anders formuliert: Für laufende Bezüge, die sich nicht auf ein Wirtschaftsgut beziehen, kommt möglicherweise nur noch die Aufteilung nach dem Unternehmensschlüssel, also dem Vorsteuerschlüssel für das gesamte Unternehmen in Betracht.

Besondere Relevanz könnte dies etwa für Banken haben, die ihre Vorsteuerschlüssel bislang getrennt nach Bereichen optimieren und zukünftig wohl auf die Gesamtumsätze der Bank abstellen müssen.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 19.12.2013