Umsatzsteuer Newsletter 09/2014
Automatischer Wegfall der Ist-Besteuerung?
Nach einer neuen Verfügung der OFD Niedersachsen entfällt die Genehmigung zur Ist-Besteuerung automatisch bei Wegfall der Voraussetzungen des § 20 UStG. Bei Erhalt der Genehmigung ist daher zu prüfen, ob sie eine „automatische Wegfall-Klausel“ enthält. Davon hängt ab, wie in den Folgejahren zu verfahren ist.


1. Verfügung der OFD Niedersachsen

Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen hat sich mit kürzlich veröffentlichter Verfügung vom 17.12.2013, MwStR 2014, S. 180, zur Ist-Besteuerung geäußert. Sie hat mitgeteilt, dass die Genehmigung der Ist-Besteuerung ohne förmlichen Widerruf, d. h. automatisch, erlischt, wenn die Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG nicht mehr vorliegen.

2. Soll-Besteuerung vs. Ist-Besteuerung

Bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten, der sog. Soll-Besteuerung (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG), richtet sich die Entstehung der Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen nach dem Zeitpunkt der Leistung. Die Steuer entsteht mit Ablauf desjenigen Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt worden ist. Auf die Vereinnahmung des Entgelts kommt es hingegen grundsätzlich nicht an.

Dagegen findet die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten, die Ist-Besteuerung, nach § 20 Abs. 1 UStG nur Anwendung, wenn das Finanzamt dem Unternehmer auf Antrag gestattet, seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern.

Voraussetzung ist, 

  • dass der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als EUR 500.000,00 betragen hat oder
  • dass der Unternehmer von der Verpflichtung, Bücher zu führen, nach § 148 AO befreit ist, oder
  • der Unternehmer Freiberufler im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist.

Häufigster Anwendungsfall in der Praxis ist der als Freiberufler tätige Unternehmer, der seinen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Die Umsatzsteuer entsteht bei der Ist-Besteuerung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist. Der Vorsteuerabzug ist von der Regelung nicht betroffen. Er entsteht bereits dann, wenn die Leistung bezogen wurde und die (ordnungsgemäße) Rechnung vorliegt; auf die Bezahlung der Rechnung kommt es nicht an. Damit hat die Ist-Besteuerung gegenüber der Soll-Besteuerung den großen Vorteil, dass die Umsatzsteuer vom Unternehmer nicht vorfinanziert werden muss.

3. Beispiel

Die im Jahr 2011 gegründete A-GmbH verzeichnete in ihrem ersten Kalenderjahr einen Gesamtumsatz von EUR 100.000,00, im Jahr 2012 von EUR 230.000,00. Im Jahr 2013 stieg ihr Umsatz auf EUR 550.000,00 an.

Im Jahr 2011 stellte der Geschäftsführer (G) der A-GmbH einen Antrag auf Ist-Besteuerung, der vom Finanzamt bewilligt wurde. Die Genehmigung des Finanzamts enthielt folgenden Passus:

„Falls die o. g. Voraussetzungen bei Ihnen künftig wegfallen sollten, besteht ohne besondere Aufforderung die Verpflichtung, vom Beginn des darauf folgenden Kalenderjahres an die Umsatzsteuer wieder nach vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) zu berechnen.“

Aufgrund dieser Genehmigung war die A-GmbH in 2011, 2012 und 2013 zur Ist-Besteuerung berechtigt. Auch in 2014 berechnete G die Steuer nach dem Ist-Prinzip. Im April 2014 wurde gegen den Geschäftsführer G der A-GmbH ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Die Begründung lautete, dass die Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG weggefallen seien – der Gesamtumsatz im vorangegangenen Jahr 2013 überschritt den Grenzwert von EUR 500.000,00 – und die A-GmbH damit nicht mehr zur Ist-Besteuerung berechtigt sei.

4. Automatischer Wegfall zulässig?

Fraglich ist, ob die Genehmigung zur Ist-Besteuerung aufgrund der oben angeführten„Klausel“ automatisch wegfällt, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Oder muss das Finanzamt die Genehmigung mit einem gesonderten Bescheid widerrufen?

Während diese Frage in der Fachliteratur unterschiedlich beantwortet wird, hat der BFH die Aufnahme einer derartigen Klausel als rechtlich unproblematisch erachtet (BFH, Urt. v. 30.01.2003 – V R 58/01, BStBl. II 2003, S. 817). Jedoch tat der BFH dies ohne jegliche Auseinandersetzung mit der Problematik und ohne jegliche Begründung.

5. Empfehlungen für die Praxis

Zunächst sollte bei Erhalt der Genehmigung geprüft werden, ob die Genehmigung eine„automatische Wegfall-Klausel“ enthält.

Ist diese Klausel nicht enthalten oder lediglich ein Widerrufsvorbehalt in die Genehmigung mit aufgenommen, kann der förmliche Widerruf durch das Finanzamt abgewartet werden.

Ist eine solche Klausel jedoch in der Genehmigung enthalten, sollte zu Beginn jedes Jahres die Frage des automatischen Wegfalls auf Wiedervorlage genommen werden. Dabei ist zu überprüfen, ob im vorangegangenen Jahr die Umsatzgrenze von EUR 500.000,00 überschritten wurde. Ist dies der Fall, dann muss mit der ersten Umsatzsteuer-Voranmeldung des neuen Jahres zur Soll-Besteuerung gewechselt werden.

Ansprechpartner:

Dr. Oliver Zugmaier
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
Tel.: 089 / 217 50 12 - 60
oliver.zugmaier@kmlz.de

Stand: 11.04.2014