Umsatzsteuer Newsletter 01/2015
Gutgläubigkeit bei Leistungsbezügen von angeblichen Scheinunternehmern
Finanzämter versagen häufig den Vorsteuerabzug mit dem Argument, dass der Unternehmer die Ware von einem sog. Scheinunternehmer bezogen hat. Auf Gutgläubigkeit komme es im Festsetzungsverfahren nicht an. Nach neueren Entscheidungen des BFH könnte dies in Zukunft anders zu beurteilen sein. Im Steuerstreit stellt sich dann zusätzlich die Frage, wer den Nachweis der Gutgläubigkeit antreten muss.

1. Problemstellung
Der BFH versagt in bisher ständiger Rechtsprechung den Vorsteuerabzug, wenn ein Unternehmer keine ordnungsgemäße Rechnung besitzt. Das bedeutet, der Unternehmer muss abgezogene Vorsteuerbeträge an das Finanzamt zurückzahlen. Eine Rechnung ist z. B. nicht ordnungsgemäß, wenn der Leistende in der Rechnung einen Scheinsitz oder einen falschen Namen angibt.

Wenn der Leistungsempfänger bezüglich solcher falschen Angaben gutgläubig ist, kann er den Vorsteuerabzug allenfalls in einem separaten Billigkeitsverfahren geltend machen. Bis der Unternehmer die Zahlung erhält, vergeht hierbei meist eine lange Zeit. Außerdem ist verfahrensrechtlich ein eigener (häufig fehlender) Antrag notwendig. Von dieser bisherigen Rechtsprechung scheinen beide Umsatzsteuersenate des BFH aber abzurücken (BFH, Be-schl. v. 16.04.2014 – Az. V B 48/13 und Beschl. v. 26.09.2014 – Az. XI S 14/14).

2. Sachverhalt des Beschl. v. 26.09.2014
Ein Unternehmer hat den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen eines Lieferanten vorgenommen. Diese Vorsteuern forderte das Finanzamt nunmehr zurück. Der Rechnungssteller sei eine „Scheinfirma“. Auf der Rechnung sei ein falscher Sitz angegeben. Daher sei die Rechnung falsch. Die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs lägen damit nicht vor. Der Unternehmer wehrte sich hiergegen gerichtlich und beantragte die Aussetzung der Vollziehung des Rückforderungsbescheids. Er machte geltend, dass er nichts davon wissen konnte, dass der angegebene Sitz falsch ist.

3. Entscheidung des BFH
Der BFH hat die begehrte Aussetzung der Vollziehung gewährt.

Dies überrascht, da nach bisheriger Rechtsprechung der Unternehmer den Vorsteuerabzug nicht vornehmen darf, wenn Rechnungsangaben falsch sind. Durch die Angabe des Scheinsitzes war im vorliegenden Fall aber die Rechnungsangabe falsch. Dies hätte bedeutet, dass der Rückforderungsbescheid rechtmäßig war.

Der BFH hält es für möglich, dass Unternehmer auch dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, wenn sie auf falsche Angaben des Lieferanten vertrauten und sich diese Angaben später als falsch herausstellen.

Der BFH verweist in diesem Zusammenhang auf die neuere Rechtsprechung des EuGH in den Rs. Mahagebén und Dávid (C-80/11) und Maks Pen EOOD (C-18/13) sowie verschiedener Finanzgerichte.

Danach kann ein Unternehmer – obgleich § 15 UStG den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nicht vorsieht – bereits im Festsetzungsverfahren zum Vorsteuerabzug berechtigt sein.

4. Hinweise für die Praxis
Sollte der BFH im späteren Hauptsacheverfahren bei seiner Meinung bleiben, wonach gutgläubige Unternehmer den Vorsteuerabzug auch dann geltend machen können, wenn die Voraussetzungen des § 15 UStG nicht vorliegen, so würde dies die Situation von Unternehmern erheblich verbessern.

Denn oft versagen Finanzämter den Vorsteuerabzug mit dem pauschalen Hinweis auf fehlerhafte Rechnungsangaben. Dies betrifft z. B. vom Lieferanten betrogene oder unwissentlich in ein sog. Karussellgeschäft geratene Unternehmer.

Bis auf weiteres sollten Steuerpflichtige in laufenden Verfahren unter Verweis auf die Beschlüsse des BFH ein Ruhen des Verfahrens erwirken. Außerdem ist zur Sicherheit ein Billigkeitsantrag beim Finanzamt angeraten.

Oft spielen in diesen Konstellationen auch Fragen der Beweislast eine Rolle. Muss das Finanzamt beweisen, dass der angegebene Sitz falsch ist? Oder ist es Aufgabe des Unternehmers, die Richtigkeit des Sitzes zu beweisen? Auch hier deutet sich in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung eine Abkehr von der bisher unternehmerfeindlichen Rechtsprechung des BFH an.

Mit dieser Rechtsprechungsentwicklung wird die Neutralität der Mehrwertsteuer wieder etwas mehr in den Mittelpunkt gerückt. Dies ist erfreulich, da redliche Unternehmer damit mehr geschützt sind.

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: 089 / 217 50 12 - 30
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Stand: 08.01.2015