Umsatzsteuer Newsletter 11/2015
Erwerb von Zahnersatz ist in Deutschland steuerpflichtig
Heilbehandlungen durch Zahnärzte sind steuerfrei. Das gilt allerdings nicht für die Lieferung von Zahnprothesen. Diese unterliegt der deutschen Umsatzsteuer. Werden Zahnprothesen zur Erbringung steuerfreier Umsätze verwendet, steht dem Zahnarzt aus ihrem Einkauf kein Vorsteuerabzug zu. Der EuGH hat nun bestätigt, dass dies auch für innergemeinschaftliche Erwerbe von Zahnprothesen in Deutschland zutrifft. Demnach muss der Zahnarzt Umsatzsteuer bezahlen, ohne in vielen Fällen gleichzeitig zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein. Ebenso unterliegt die Lieferung von Zahnersatz durch Zahntechniker in Deutschland der Umsatzsteuer.

1. Problemstellung
§ 4 Nr. 14 Buchst. a UStG befreit die Heilbehandlungen durch Zahnärzte von der Umsatzsteuer. Die Steuerbefreiung gilt jedoch nicht für die Lieferung und Wiederherstellung von Zahnprothesen. Deutsche Zahnärzte zahlen deshalb für den Einkauf von Zahnprothesen Umsatzsteuer. Da sie selbst steuerfreie Ausgangsumsätze erbringen, sofern sie die Zahnprothesen zur Heilbehandlung von Patienten verwenden, steht ihnen kein Vorsteuerabzug zu.

Fraglich war bislang, ob beim Einkauf von Zahnprothesen aus dem Ausland auch Umsatzsteuer zu entrichten ist. Da diese Umsätze in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten steuerfrei sind, stellte sich zudem die Frage, ob es darauf ankommt, aus welchem Land die Zahnprothesen bezogen wurden. Deutsche Zahntechniker fühlten sich zudem durch die Steuerpflicht in Deutschland benachteiligt. Konkurrenten aus EU-Mitgliedstaaten, in denen Umsätze von Zahntechnikern steuerbefreit sind, können schließlich ohne Umsatzsteuer abrechnen. Bisher war offen, inwiefern grenzüberschreitende Umsätze steuerbefreit sind und sich dadurch eine Gleichbehandlung ergibt.

Der EuGH hatte nun in drei Verfahren bezüglich Lieferungen von Zahnersatz zu entscheiden, ob und wie sich die Steuerbefreiungen im Abgangsland und im Bestimmungsland beeinflussen.

2. Entscheidung des EuGH
Der EuGH hat in seiner Entscheidung bestätigt, dass der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, deren Lieferung durch Steuerpflichtige in ihrem jeweiligen Gebiet steuerfrei ist, gem. Art. 140 Buchst. a MwStSystRL von der Steuer zu befreien ist. Es kommt für den innergemeinschaftlichen Erwerb allein darauf an, ob es im Bestimmungsland eine Steuerbefreiung gibt. Die steuerliche Behandlung im Herkunftsland hat auf die Steuerpflicht des innergemeinschaftlichen Erwerbs keine Auswirkung. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, dass die Steuerbefreiung der Lieferung von Zahnersatz durch Zahnärzte und Zahntechniker nicht EU-einheitlich umgesetzt wurde. Bei grenzüberschreitenden Lieferungen von Zahnersatz muss daher geprüft werden, ob die Lieferung im Bestimmungsland steuerfrei ist oder nicht.

3. Hinweise für die Praxis
Das Urteil des EuGH ist zwar zu drei niederländischen Verfahren ergangen, hat aber unmittelbare praktische Bedeutung für deutsche Zahnärzte und Zahntechniker. Die Lieferung von Zahnersatz durch Zahntechniker aus Deutschland in einen anderen EU-Mitgliedstaat ist als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. Korrespondierend unterliegt der Erwerb von Zahnersatz in dem anderen EU-Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung. Der anwendbare Steuersatz richtet sich nach dem Recht des jeweiligen Erwerbs-Mitgliedstaats. Durch die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs wird erreicht, dass Umsätze von Lieferanten aus einem anderen EU-Mitgliedstaat nicht höher besteuert werden als Umsätze von Lieferanten innerhalb des EU-Mitgliedstaats.

Auch bei der Lieferung von Zahnersatz durch Zahnärzte innerhalb Deutschlands ist Vorsicht geboten. In Deutschland ist die Lieferung von Zahnersatz nicht steuerfrei. Entsprechend haben Zahnärzte mit Umsatzsteuer abzurechnen. Etwas anderes ergibt sich nur, wenn Zahnärzte den Zahnersatz im Rahmen der Heilbehandlung ihrer Patienten verwenden. Die Behandlung durch Zahnärzte unter Verwendung von Zahnprothesen ist eine einheitliche Leistung, die sowohl Elemente der Lieferung (Lieferung des Materials) als auch Elemente von sonstigen Leistungen (Leistungen des Zahnarztes) enthält. Bei einheitlichen Leistungen ist entscheidend, welches Element überwiegt. Bei Behandlungen durch Zahnärzte überwiegen regelmäßig die Leistungen des Zahnarztes, sodass sich die einheitliche Leistung des Zahnarztes insgesamt danach richtet.

Verwendet der Zahnarzt die Zahnprothese im Rahmen einer Heilbehandlung, richtet sich die einheitliche Leistung nach der Heilbehandlung und ist insgesamt steuerfrei. Weist der Zahnarzt in seiner Rechnung für den auf die Zahnprothese entfallenden Anteil Umsatzsteuer aus, ist dies unzutreffend. Der Zahnarzt schuldet die Umsatzsteuer nach § 14c UStG. Zudem haben Zahnärzte keinen Vorsteuerabzug aus dem Einkauf der Zahnprothesen, da sie diese Eingangsleistungen zur Erbringung steuerfreier Ausgangsleistungen verwenden. Ein solches Problem besteht nicht, wenn Zahnärzte die Prothesen in einem Eigenlabor selbst herstellen. Etwas anderes ergibt sich, wenn der Zahnarzt die Zahnprothese im Rahmen einer reinen Schönheitsbehandlung verwendet. Da sich hier die einheitliche Leistung nach der Schönheitsbehandlung richtet, ist sie insgesamt steuerpflichtig. Damit steht dem behandelnden Zahnarzt wiederum Vorsteuerabzug aus dem Einkauf der Zahnprothesen zu.

Die Aussage „Zahnärzte zahlen keine Umsatzsteuer“ hat keine allgemeine Gültigkeit. Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Für Zahnärzte ist insbesondere die Abgrenzung zwischen steuerfreier Heilbehandlung und steuerpflichtiger Schönheitsbehandlung von praktischer Bedeutung, mit entsprechenden Konsequenzen für den Vorsteuerabzug. Zahntechniker, die Zahnprothesen in andere Mitgliedstaaten liefern, müssen sicherstellen, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung vorliegen.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
ronny.langer@kmlz.de

Stand: 02.04.2015