Umsatzsteuer Newsletter 04/2014
BFH weicht Prinzip der Sollbesteuerung auf
Unternehmer müssen Umsatzsteuern nach einem aktuellen Urteil des BFH nicht über mehrere Jahre vorfinanzieren. Steht dem Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung noch kein voller Anspruch auf Bezahlung der Leistung zu, so ist dieser auch nicht verpflichtet, den gesamten Umsatzsteuerbetrag an den Fiskus abzuführen. Dies soll nach Meinung des BFH in den Fällen gelten, in denen Vereinbarungen über Sicherungseinbehalte getroffen worden sind (vorübergehende Uneinbringlichkeit). Es sind aber auch weitere Anwendungsbereiche denkbar.

Nach einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des BFH kann ein Unternehmer seine Umsatzsteuerschuld verringern, wenn er im Zeitpunkt der Leistungserbringung keinen vollen Anspruch auf die Zahlung des Rechnungsbetrages hat. Eine solche vorübergehende Uneinbringlichkeit liege vor, wenn die Parteien einen Sicherungseinbehalt über einen festen Zeitraum vereinbaren, in dem der Kunde nicht zur Zahlung des vollen Rechnungsbetrages verpflichtet ist.

1. Hintergrund

Eine GmbH & Co. KG hatte Bauleistungen erbracht und diese gegenüber ihrem Kunden mit Umsatzsteuer abgerechnet. Der Kunde bezahlte daraufhin nur einen Teil des Rechnungsbetrages, da die Parteien einen Sicherungseinbehalt für mögliche Baumängel über einen mehrjährigen Zeitraum vereinbart hatten.

In der Umsatzsteuer-Voranmeldung erklärte die GmbH & Co. KG den um den Sicherungseinbehalt geminderten Betrag. Das zuständige Finanzamt setzte die Umsatzsteuer allerdings auf den vollen Betrag fest, da nach seiner Meinung keine gesetzliche Grundlage für die Minderung der Umsatzsteuer bestünde.

2. Die Entscheidung des BFH

Der BFH bejaht in seinem Urteil vom 24.10.2013 (V R 31/12) grundsätzlich die Minderung der Umsatzsteuer wegen Uneinbringlichkeit in Höhe des Sicherungseinbehaltes, wenn der GmbH & Co. KG keine Bürgschaft gewährt wird. Es kommt also insbesondere darauf an, ob eine Bürgschaftsgestellung möglich war, mit der die KG es erreicht hätte, dass der Kunde das volle Entgelt entrichtet. Das Finanzgericht müsse deshalb noch weitere Feststellungen zum Umfang und den Voraussetzungen des Sicherungseinbehaltes treffen.

Der BFH stellt das Prinzip der Sollbesteuerung, wonach die Umsatzsteuer bei Leistungserbringung entsteht, grundsätzlich nicht in Frage. Er führt aber aus, dass die Unternehmer die Umsatzsteuer gemäß § 17 UStG berichtigen können.

Das Umsatzsteuergesetz definiert den Begriff der Uneinbringlichkeit nicht. Lediglich die Finanzverwaltung hat im Umsatzsteuer-Anwendungserlass Fälle genannt, die zu einer Uneinbringlichkeit führen. Der BFH stellt in seinem Urteil aber klar, dass eine Uneinbringlichkeit wesentlich früher vorliegen kann, als die Finanzverwaltung annimmt.

Der BFH stützt sich dabei auf die in Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie genannten Indizien. Demnach wird die Umsatzsteuer berichtigt in Fällen der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes.

3. Folgen für die Praxis

Die Definition der Uneinbringlichkeit durch den BFH hat aus unserer Sicht auch weitreichende Konsequenzen bei anderen Fallgestaltungen.

3.1 Ratenzahlungen

Werden Gegenstände unter Vereinbarung einer Ratenzahlung veräußert, so entsteht die Umsatzsteuer bereits im Zeitpunkt der Lieferung. Aufgrund der vertraglichen Vereinbarung ist es den Unternehmern in einem solchen Fall aber ebenfalls nicht möglich, den vollen Kaufpreis bei Lieferung zu fordern. Unter Beachtung des aktuellen BFH-Urteils sollte man hier auch von einer vorübergehenden Uneinbringlichkeit ausgehen können, die zu einer Berichtigung der Umsatzsteuer führt.

3.2 Finanzierungsleasing / Mietkauf

Beim Finanzierungsleasing und beim Mietkauf liegen faktisch ebenso Ratenzahlungen vor. Die gängige Praxis, wonach mit der ersten Rate dann jeweils auch die Umsatzsteuer auf den gesamten Kaufpreis fällig gestellt wird, wäre damit überholt. Die Kunden sollten die sofortige Zahlungsanforderung der gesamten Umsatzsteuer zurückweisen, da sie nach dem aktuellen BFH-Urteil nicht korrespondierend zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.

4. Fazit

Nach Meinung des BFH wäre es für die Unternehmer unverhältnismäßig, die Umsatzsteuer über einen mehrjährigen Zeitraum vorzufinanzieren. Soweit eine vorübergehende Uneinbringlichkeit vorliegt, ist die Umsatzsteuer entsprechend der Bezahlung an den Fiskus abzuführen. Korrespondierend ist auf der Seite des Kunden auch bei der Vorsteuer zu verfahren. Diese steht dem Kunden dann ebenfalls nur anteilig entsprechend der Zahlung zu.

Die Unternehmen sollten nun prüfen, bei welchen Forderungen eine Zahlungsvereinbarung getroffen wurde, bei der der Anspruch auf Entgeltentrichtung über einen festgelegten Zeitraum nicht durchgesetzt werden kann. Gleiches gilt für die Verbindlichkeiten der Unternehmer, die dann zur Berichtigung der Vorsteuer verpflichtet sind.

Aus unserer Sicht darf es dabei keine Rolle spielen, über welchen Zeitraum der Anspruch nicht durchgesetzt werden kann. Es ist vielmehr darauf abzustellen, dass der Anspruch nicht durchgesetzt werden kann.

Für den Umsatzsteuer-Anwendungserlass besteht zur Frage der Uneinbringlichkeit aus unserer Sicht aufgrund der ergangenen Rechtsprechung Anpassungsbedarf. Man darf auf die Reaktion der Finanzverwaltung gespannt sein.

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Stand: 17.03.2014