Umsatzsteuer Newsletter 19/2015
EuGH bestätigt Vorsteuerabzugsrecht für Führungsholdings
Der BFH hatte Zweifel, ob eine Führungsholding zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sein kann. Schließlich stünden die Eingangsleistungen auch teilweise im Zusammenhang mit dem nicht steuerbaren Erwerb und Halten der Beteiligungen. Dem widerspricht der EuGH. Er bestätigt, dass ein volles Vorsteuerabzugsrecht besteht, wenn die Holding in die Verwaltung der Tochtergesellschaft eingreift und hierdurch steuerpflichtige Umsätze erbringt. Der EuGH wiederholt auch den Grundsatz, dass Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung stets zu den allgemeinen Aufwendungen gehören. Ein Nachweis, dass die Aufwendungen zu den Kostenelementen der versteuerten Ausgangsumsätze gehören, ist damit nicht erforderlich. Die Fragen des BFH zum Aufteilungsschlüssel für den Vorsteuerabzug bei gemischten Holdings beantwortet der EuGH aber nicht. Es gibt damit für die Steuerpflichtigen zunächst keine Einschränkungen.

1. Problemstellung
Eine Holding, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen ist, ohne dass sie in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, ist kein Unternehmer und somit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (Finanzholding). Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen können nicht als wirtschaftliche Tätigkeiten angesehen werden, die die Holding zum Unternehmer machen würden. Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Holding entgeltliche Leistungen an die Gesellschaft erbringt, an der die Beteiligung erworben wurde (Führungsholding). Die Holding wird dann als Unternehmer tätig und ist zum Vorsteuerabzug berechtigt. Eingeschränkt wäre der Vorsteuerabzug nur dann, wenn die Holding eine gemischte Holding darstellt oder steuerfreie Umsätze tätigt.

An diesen Grundsätzen hatte der BFH mit seinen Vorlagebeschlüssen XI R 17/11 und XI R 38/12 vom 11.12.2013 gerüttelt. Der BFH war der Ansicht, dass selbst bei Führungsholdings immer nur ein eingeschränkter Vorsteuerabzug möglich sei. Die Eingangsleistungen würden nicht ausschließlich in Zusammenhang mit der späteren Erbringung der Dienstleistungen stehen, sondern auch mit dem nicht steuerbaren Erwerb und dem Halten der Beteiligungen. Daher sei eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge erforderlich.

2. Sachverhalt
Die Kläger waren Holdinggesellschaften, die Beteiligungen an Schiffskommanditgesellschaften erworben hatten. Sie akquirierten Kapital, um damit ihre Beteiligungen zu finanzieren. Dann erbrachten die Kläger – wie von vornherein geplant – umsatzsteuerpflichtige Dienstleistungen an die Kommanditgesellschaften. Im Zusammenhang mit der Einwerbung des Kapitals bezogen die Kläger Eingangsleistungen, für die sie den Vorsteuerabzug geltend machten.

3. Urteil des EuGH
Mit seinem Urteil vom 16.07.2015 in den verbundenen Rechtssachen C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave tritt der EuGH der Auffassung des BFH entgegen und bestätigt seine bisherige Rechtsprechung.

Eingriffe einer Holding in die Verwaltung von Gesellschaften, an denen sie Beteiligungen erworben hat, sind, wenn sie entgeltlich geleistet werden, eine wirtschaftliche Tätigkeit. Damit erbringt die Holding an ihre Tochtergesellschaften steuerpflichtige Umsätze, z. B. in Form administrativer, finanzieller, kaufmännischer oder technischer Dienstleistungen. Hierdurch eröffnet sich den Holdings das Recht auf Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen. Der Vorsteuerabzug ist dabei grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Eingangsleistungen direkt und unmittelbar mit zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhängen.

Der Vorsteuerabzug kann jedoch auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsatz vorgenommen werden, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.

Der EuGH bestätigt dabei ausdrücklich, dass Kosten einer Holding im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an Gesellschaften, an deren Verwaltung sie teilnimmt, als Teil der allgemeinen Aufwendungen der Holding anzusehen sind. Folglich ergibt sich für die Holding daraus das Recht auf vollen Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen. Lediglich für den Fall, dass die Holding nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende steuerfreie Umsätze erbringt, wäre ein nur anteiliger Vorsteuerabzug möglich. Hierfür gelten die Vorgaben der Art. 173 – 175 MwStSystRL.

Für die Aufteilung der Vorsteuern, die auf wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Tätigkeiten entfallen, wie z. B. bei einer gemischten Holding, enthält die MwStSystRL aber keine Vorgaben. Es sei, so der EuGH, deshalb Sache des Unionsgesetzgebers und der nationalen Behörden, die Vorsteuern aufzuteilen.

4. Hinweise für die Praxis
Aus dem EuGH-Urteil ergeben sich folgende Konsequenzen:
• Der Vorsteuerabzug für Führungsholdings wird nicht eingeschränkt.
• Die Finanzverwaltung darf beim Erwerb von Beteiligungen keine Nachweise fordern, dass die Eingangsleistungen Kostenelemente der Ausgangsumsätze darstellen. Der EuGH bestätigt schließlich ausdrücklich in seinem Leitsatz, dass Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen Teil der allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen sind und damit stets zu den Preiselementen aller Produkte des Unternehmens gehören.
• Der EuGH macht keine Einschränkung zum Aufteilungsschlüssel für den Vorsteuerabzug bei einer gemischten Holding. Es bleibt also zunächst dabei, dass mangels gesetzlicher Vorgaben ein Umsatzschlüssel, ein Investitionsschlüssel oder ein anderer geeigneter Schlüssel verwendet werden darf. Allerdings ist Vorsicht geboten, da der BFH im sich anschließenden Urteil hier noch Einschränkungen vornehmen könnte.

Ansprechpartner:

Ronny Langer
Dipl.-FW (FH), Steuerberater
Tel.: 089 / 217 50 12 - 50
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Stand: 28.07.2015