Umsatzsteuer Newsletter 23/2013
Beendigung der Organschaft auch bei Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters
Der BFH hat mit Urteil vom 08.08.2013 (Az. V R 18/13) entschieden, dass mit der Bestellung eines sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters die umsatzsteuerliche Organschaft endet, wenn für den vorläufigen Insolvenzverwalter ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet wird. Die Entscheidung hat allgemeine Bedeutung, weil der BFH die Anforderungen an das Merkmal der organisatorischen Eingliederung bei der Organschaft erhöht.


1. Einleitung

Bei Insolvenzverfahren über das Vermögen von Organgesellschaften einer umsatzsteuerlichen Organschaft, stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Organschaft i. S. v. § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG endet. Sie endet grundsätzlich, wenn die Organgesellschaft nicht mehr finanziell, wirtschaftlich oder organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. In Insolvenzverfahren kann insbesondere die organisatorische Eingliederung entfallen, d. h. die Beherrschung der Geschäftsführung der Organ­gesellschaft durch den Organträger.

Anerkannt ist, dass die organisatorische Eingliederung zu dem Zeitpunkt entfällt, in dem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Organgesellschaft eröffnet wird. Denn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Organgesellschaft auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO).

Für das vorläufige Insolvenzverfahren war bislang danach zu unterscheiden, ob das Insolvenzgericht ein allgemeines Verfügungsverbot des Insolvenzschuldners verhängt, sodass die Verfügungsbefugnis nach § 22 Abs. 1 S. 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (sog. starker vorläufiger Insolvenzverwalter), oder ob das Insolvenzgericht kein allgemeines Verfügungsverbot anordnet (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter). Nach der bisherigen Rechtsprechung endet nur bei Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters die organisatorische Eingliederung und damit die umsatzsteuerliche Organschaft. Dagegen führte die Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters grundsätzlich nicht zu einer Beendigung der Organschaft (vgl. BFH, Urt. v. 22.10.2009 – V R 14/08, BStBl. II 2011, 988).

2. Konkreter Fall und Entscheidung des BFH

Zwischen dem Kläger und einer GmbH bestand eine umsatzsteuerliche Organschaft. Die GmbH geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und musste Insolvenzantrag stellen. Das Insolvenzgericht bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Da das Gericht kein allgemeines Verfügungsverbot verhängte, ging die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. Das Gericht ordnete allerdings an, dass Verfügungen der GmbH nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Ziff. 2 Alt. 2 InsO). Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens wurden die Geschäfte der GmbH einige Zeit fortgeführt und schließlich eingestellt. Im Anschluss daran wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Das Finanzamt nahm den Kläger als Organträger für die Rückzahlung von Vorsteuerbeträgen in Anspruch, da die GmbH die entsprechenden Entgelte nicht entrichtet hatte. Der Kläger stellte sich dagegen auf den Standpunkt, die umsatzsteuerliche Organschaft sei bereits mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters beendet worden, sodass sich der Anspruch des Finanzamts nicht gegen ihn richten könne.

Der BFH gab der Klage statt und entschied, dass die organisatorische Eingliederung bereits mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters beendet worden sei. Seine bisherige Rechtsprechung gab der BFH auf.

Zur Begründung führteder BFH aus, die organisatorische Eingliederung erfordere, dass der Organträger seinen Willen in der Organgesellschaft durchsetzen könne. Die Verhinderung einer abweichenden Willensbildungin der Organgesellschaft reiche nicht aus. Daher entfalle im vorläufigen Insolvenzverfahren die organisatorische Eingliederung, wenn ein vorläufiger schwacher Insolvenzverwalter bestellt werde und wegen des angeordneten Zustimmungsvorbehalts Verfügungen des Insolvenzschuldners von der Zustimmung des vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters abhängen. Denn in diesem Fall könne der Mehrheitsgesellschafter seinen Willen in der Gesellschaft nicht mehr durchsetzen.

Gleichwohl muss der Kläger die von der GmbH geltend gemachte Vorsteuer zurückzahlen. Denn nach Ansicht des BFH sind die Entgelte für die Leistungen an die GmbH noch während des Bestehens der umsatzsteuerlichen Organschaft uneinbringlich geworden. Die Einzelheiten zum Umfang des Anspruchs gegen den Kläger muss nun das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang entscheiden.

3. Auswirkungen auf Insolvenzverfahren

Die bisherige Rechtsprechung, nach der die Organschaft bei Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters fortbestand, war für den Organträger gefährlich. Denn die vom vorläufigen Insolvenzverwalter ausgeführten Umsätze führten zu Umsatzsteuerschulden des Organträgers. Der zivilrechtliche Erstattungsanspruch des Organträgers gegen die Organgesellschaft war eine bloße Insolvenzforderung.

Bislang musste der Organträger daher bei Bestellung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters Maßnahmen ergreifen, um die Organschaft so schnell wie möglich zu beenden. Dies ist nun nicht mehr erforderlich.

4. Allgemeine Auswirkungen der Entscheidung

Die Entscheidung ist von allgemeiner Bedeutung, weil der BFH die Anforderungen an das Merkmal der organisatorischen Eingliederung erhöht. Künftig muss der Organträger seinen Willen bei der Organgesellschaft aktiv durchsetzen können. Es reicht nicht mehr aus, dass er eine von seinem Willen abweichende Willensbildung verhindern kann.

Bestehende umsatzsteuerliche Organschaften sollten daraufhin überprüft werden, ob die organisatorische Eingliederung nach den verschärften Anforderungen des BFH nach wie vor gegeben ist.

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Stand: 09.09.2013