Umsatzsteuer Newsletter 34/2017
(Doch) Voller Vorsteuerabzug für Erschließungskosten?
Der EuGH weicht in der Rs. Iberdrola (C-132/16) das Recht auf Vorsteuerabzug weiter auf. Mit dieser Entscheidung wird die Diskussion zu der Frage der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Erschließungskosten neu entfacht. Die BFH-Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung stehen erneut auf dem Prüfstand. Darüber hinaus dürfte die Entscheidung auch allgemeine Bedeutung für die Frage des Vorsteuerabzugs haben.

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1.    Sachverhalt
Iberdrola ist eine Privatinvestorin, die in einem Ferienkomplex einer Gemeinde mehrere Grundstücke zur Vermietung erwarb. Durch Vertragsschluss verpflichtete sich Iberdrola gegenüber der Gemeinde, die Pumpstation zur Abwasserentsorgung im Ferienkomplex unentgeltlich in Stand zu setzen. Die Pumpstation war für die Nutzung der geplanten Objekte in dem Ferienkomplex zwingend notwendig. Anschließend machte Iberdrola den Vorsteuerabzug für die Ausgaben im Zusammenhang mit den Arbeiten an der Pumpstation geltend. Die Steuerverwaltung versagte dies.

2.    Rechtliche Würdigung des EuGH
Der EuGH stellt heraus, dass nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Eingangsumsatz und einem zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsatz bestehen muss. Für diesen Fall sei der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt und der Umfang dieses Rechts bestimmbar. Das Recht auf Vorsteuerabzug sei nur dann gegeben, wenn die getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören. Zudem bestehe ein Vorsteuerabzugsrecht bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem Eingangsumsatz und einem zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsatz, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.

Vorliegend bestehe eben dieser direkte und unmittelbare Zusammenhang. Denn der Anschluss der Gebäude wäre ohne die Instandsetzung der Pumpstation unmöglich gewesen. Daher war die Instandsetzung für das geplante Vorhaben unerlässlich. Iberdrola hätte in Ermangelung der Instandsetzung ihre wirtschaftliche Tätigkeit nicht ausüben können. Derartige Umstände sind geeignet, das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Dienstleistung (nämlich der Instandsetzung der Abwasserpumpstation, die im Eigentum der Gemeinde steht) und einem besteuerten Ausgangsumsatz von Iberdrola nachzuweisen. Die Dienstleistung wurde offensichtlich bewirkt, um Iberdrola die Durchführung des Immobilienprojekts zu ermöglichen. Der Umstand, dass auch die Gemeinde von der Dienstleistung profitiert, rechtfertige es nicht, Iberdrola das entsprechende Abzugsrecht für diese Dienstleistung zu versagen, wenn ein solcher direkter und unmittelbarer Zusammenhang nachgewiesen wird. Die Instandsetzungsdienstleistung, die auf der vorgelagerten Stufe erfolgt, ist ein preisbildender Faktor eines besteuerten Ausgangsumsatzes von Iberdrola. Soweit sich die Dienstleistung auf das beschränkt, was erforderlich ist, sei der Vorsteuerabzug möglich.

3.    Auswirkungen in der Praxis
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Erschließungsmaßnahmen beschäftigt die Praxis seit jeher. Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen betreffen umfangreichere Bauprojekte, so dass die Klärung dieser Fragen erheblichen Einfluss auf die Kosten haben kann. Oftmals verpflichtet die Kommune den Bauunternehmer, in dem zu bebauenden Gemeindegebiet Erschließungsanlagen herzustellen. Diese Erschließungsanlagen stellt der Bauunternehmer der Gemeinde anschließend nicht selten unentgeltlich zur Nutzung zur Verfügung. Hinsichtlich der für die Schaffung der Erschließungsanlagen in Rechnung gestellten Umsatzsteuer möchte der Bauunternehmer sodann den vollen Vorsteuerabzug geltend machen. Diesem Vorsteuerabzug stehen derzeit sowohl die BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 13.01.2011 – V R 12/08, BStBl. II 2012, 61) als auch die Verwaltungsauffassung (Abschn. 15.2d Abs. 1 Nr. 13 UStAE) entgegen. Der BFH verneint den unmittelbaren und direkten Zusammenhang zwischen der Dienstleistung und der wirtschaftlichen Tätigkeit des Bauunternehmers. Demnach „[…] ist (der Unternehmer) nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn der Unternehmer bei Errichtung der Erschließungsanlagen beabsichtigt, diese einer Gemeinde durch Zustimmung zur öffentlich-rechtlichen Widmung der Anlage unentgeltlich zuzuwenden“. Auch ein bloß mittelbarer Zusammenhang mit der Absicht, die erschlossenen Grundstücke steuerpflichtig zu liefern, reiche nicht aus. Der BFH spricht dem Unternehmer vielmehr das Recht auf Abzug der Vorsteuer aus den Kosten für die Erschließungsanlagen ab, weil bereits bei Errichtung der Erschließungsanlagen beabsichtigt gewesen sei, diese der Gemeinde unentgeltlich zuzuwenden. Folgt man dem EuGH zu Iberdrola, könnte nunmehr erneut Bewegung in diese Rechtsfrage kommen. Mit diesem Urteil unterstreicht der EuGH jedenfalls, dass seine Rechtsprechung in der Rs. Sveda (KMLZ Newsletter 25/2015) doch kein Ausnahmefall war.

 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 16.10.2017