Umsatzsteuer Newsletter 20/2017
BGH verschärft die Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige – Tax Compliance wird wichtiger denn je
Der BGH hat jüngst bestätigt, dass die Entdeckung einer Steuerhinterziehung bereits vor dem Abgleich mit den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen möglich ist. Die Abgabe einer Selbstanzeige hat ab diesem Zeitpunkt der Tatentdeckung dann keine strafbefreiende Wirkung mehr. Auch für die Umsatzsteuer gilt: Tritt ein zu berichtigender Sachverhalt auf, kann es für den Weg in die Strafbefreiung mittels Selbstanzeige bereits zu spät sein. Allein ein internes Kontrollsystem (IKS) kann der Annahme einer Steuerhinterziehung wirksam vorbeugen.

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Die Abgrenzung zwischen einer steuerlichen Berichtigung nach § 153 AO und einer Selbstanzeige nach § 371 AO ist in der Praxis fließend. Jeder Fehler in der steuerlichen Erklärung, der zu einer Steuerverkürzung geführt hat, ist potentiell geeignet, von den Finanzbehörden als strafbare Steuerhinterziehung gewertet zu werden. Der Steuerpflichtige oder dessen gesetzliche Vertreter können eine Strafverfolgung grundsätzlich dadurch vermeiden, dass sie die Berichtigungserklärung in Form einer Selbstanzeige abgeben. Dieser Weg in die Straffreiheit ist jedoch dann versperrt, wenn die jeweilige Steuerstraftat im Zeitpunkt der Berichtigungserklärung als entdeckt gilt. Ob eine strafbare Steuerhinterziehung vorliegt, hängt jedoch auch vom Vorsatz ab. Für Unternehmen kann ein internes Kontrollsystem (IKS) hierbei als Indiz gegen eine billigende Inkaufnahme einer Steuerverkürzung und somit gegen die Annahme vorsätzlicher Steuerhinterziehung sprechen.
 
1. Sachverhalt
Der Bundesgerichtshof hat in seinem am 28.06.2017 veröffentlichten Urteil die bisherige Tendenz bestätigt, dass die Tatentdeckung einer Steuerhinterziehung auch vor dem Abgleich mit der Steuererklärung des Steuerpflichtigen möglich ist (Urt. v. 09.05.2017 – 1 StR 265/16). Im vorliegenden Fall ging es um Provisionszahlungen, die der Empfänger nicht im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung angegeben hatte. Der Steuerpflichtige erwog diesbezüglich, eine Selbstanzeige abzugeben. Bei parallel laufenden Ermittlungen in Griechenland wegen Bestechung hatten griechische Ermittlungsbeamte auf Kontoauszügen Nachweise für diese Provisionszahlungen gefunden. Der Angeklagte reichte kurzfristig eine Selbstanzeige beim Finanzamt ein. Doch der BGH verneint vorliegend die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige. Bereits die Kenntnis der griechischen Ermittlungsbehörde von den Provisionszahlungen an den Steuerpflichtigen erfüllt den Ausschlusstatbestand der Tatentdeckung nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO.
 
2. Tatentdeckung als Ausschlussgrund für eine strafbefreiende Selbstanzeige
Gemäß § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO tritt Straffreiheit bei Abgabe einer Selbstanzeige nicht ein, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit hätte rechnen müssen. Der BGH betont in seinem jüngsten Urteil insbesondere folgende Aspekte:
 
Eine Tatentdeckung liegt dann vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit einer verurteilenden Erkenntnis gegeben ist. Hierbei darf der Begriff der Tatentdeckung im Sinne des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nicht mit den strafprozessualen Verdachtsgründen gleichgesetzt werden. Demzufolge ist für eine Tatentdeckung weder ein hinreichender Tatverdacht im Sinne von § 170 Abs. 1 StPO, § 203 StPO erforderlich, noch muss der Täter der Steuerhinterziehung bereits ermittelt sein.
 
Darüber hinaus kann die Steuerhinterziehung nicht nur durch Finanzbehörden oder Strafverfolgungsbehörden entdeckt werden, sondern grundsätzlich durch jedermann, soweit mit der Weiterleitung der Kenntnisse des Entdeckers an die zuständige Behörde zu rechnen ist.
 
3. Bedeutung für die Umsatzsteuer
In Unternehmen liegen der Umsatzsteuer regelmäßig Massenvorgänge zugrunde. Ein beispielsweise fehlerhaft eingestellter Buchungsvorgang macht eine Berichtigung notwendig, die schnell schwindelerregende Zahlen erreichen kann. Verwaltungsintern gibt es Schwellenwerte, bei denen Berichtigungen „automatisch“ von der Veranlagungsstelle an die Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzämter weitergeleitet werden. Der Einwand, dass im Bereich von Unternehmen die Mitarbeiter keinen Vorsatz bezüglich einer Steuerhinterziehung hätten, greift nicht durch. Die zuständigen Staatsanwaltschaften nehmen bei Defiziten im Rahmen der Organisationsabläufe regelmäßig billigende Inkaufnahme und damit eine vorsätzliche Steuerverkürzung an (dolus eventualis). Im Lichte der jüngsten BGH-Rechtsprechung wären auch die Feststellungen der Betriebsprüfung bei einem Geschäftspartner geeignet, die Tatentdeckung bezüglich eigener fehlerhaft behandelter Umsätze zu begründen.
 
4. Empfehlungen
Unternehmen müssen ihre steuerliche Aufgabenwahrnehmung aktiv gestalten und kontrollieren, wenn sie sich selbst und ihre Mitarbeiter nicht der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen wollen. Ein internes Kontrollsystem (IKS) gilt hierbei als Indiz, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder von Leichtfertigkeit sprechen kann. Je stichhaltiger ein Unternehmen nachweisen kann, dass die steuerrechtliche Aufgabenerfüllung oberste Priorität hat, umso weniger wird es sich mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung auseinandersetzen müssen. Eigene Kontroll- und Aufsichtsmaßnahmen sowie Präventivmaßnahmen zur Verhinderung zukünftiger Fehler sind hierbei wesentliche Bestandteile eines IKS. Doch selbst wenn ein Vorsatz hinsichtlich des ursprünglichen Fehlers verneint werden kann, bleiben Risiken bei der Berichtigungserklärung nach § 153 AO. Ein Aufschieben der Berichtigung bis zur Umsatzsteuerjahreserklärung oder der Voranmeldung für den Monat Dezember erfüllt regelmäßig nicht die Voraussetzung der Unverzüglichkeit. Auch eine nicht rechtzeitig erklärte Berichtigung nach § 153 AO kann eine Steuerhinterziehung sein.
 

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Thomas Küffner
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht,
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer
Tel.: +49 89 217501230
thomas.kueffner@kmlz.de

Stand: 24.07.2017